Kino

Kinofilm der Woche

The Shape of Water

20th Century Fox

Guillermo Del Toros bildgewaltiger Fantasyfilm erinnert Hollywood an seine Verantwortung und den Menschen daran, wer zumeist das wahre Monster ist.

In Víctor Erices Spielfi lmklassiker „Der Geist des Bienenstocks“ gibt es eine Szene, in der ein kleines Mädchen auf der Kinoleinwand verfolgt, wie Frankensteins Monster erst ein Kind umbringt und dann von den Dorfb ewohnern gejagt wird. Trotz der schockierenden Bilder gehören seine Sympathien der verzweifelten Kreatur in Bedrängnis. Später kümmert es sich aufopferungsvoll um einen verwundeten Soldaten, der sich in einer Scheune vor den franquistischen Soldaten versteckt. Auch Guillermo Del Toro siedelte seine Geschichten früher gerne im Spanischen Bürgerkrieg an und besetzte die Hauptrollen mit Kindern. „The Devil’s Backbone“ (2001) und „Pans Labyrinth“ (2006) drehten sich um die kindliche Ohnmacht der Gewalt gegenüber, die von den faschistischen Tätern ausgeht. Poetische Gerechtigkeit ging in diesen Kunstmärchen höchstens von einer schwer zu ergründenden Geisterwelt aus. Auch der neue Film des mexikanischen Regisseurs hat ein gutartiges Phantasiegeschöpf an Bord, einen Amphibienmenschen, der dem „Schrecken vom Amazonas“ wie aus dem schuppigen Gesicht geschnitten ist. Die glitschige Gestalt lebt angekettet in einem Salzwassertank im Keller einer US-Geheimdienstbehörde, der off enbar an nicht näher defi nierten Experimenten im Laika-Stil gelegen ist. Zwei Menschen interessieren sich auch persönlich für das Monster. Der Militäragent Strickland (Michael Shannon) möchte vor allem seine sadistischen Gelüste an ihm auslassen, während die stumme Putzfrau Elisa Esposito (Sally Hawkins) eine Seelenverwandtschaft mit der gequälten Kreatur spürt. „Shape of Water“ spielt in einem creme- und türkisfarbenen Phantasie-1962, das nicht ohne Grund als Hintergrund gewählt wurde. Kalter-Kriegs-Paranoia, Rassismus und Prüderie dominieren die Stimmung so penetrant, dass das lebensanschaulich aufgeladene Space Race direkt wie eine Ersatzhandlung wirkt. Auch hier sind die Sympathien schnell verteilt: Sally Hawkins’ Figur wird von der Maus zur Löwin, denn die Monsterbegegnung küsst in ihr nicht nur das Gerechtigkeitsempfinden wach, sondern auch eine romantische Leidenschaft, der es wahrlich nicht an Erotik fehlt. Einem politischen Klima, in dem Abschottung, Ignoranz und eine unverblümte Might-makes-right-Philosophie den Ton angeben, setzt der Film damit einen überraschend lustvollen Appell an Freiheit und Toleranz entgegen

Fazit: Ein starkes Fantasy-Märchen für Erwachsene, das aus den Scherben alter Monsterfilme eine neue Kinokreatur zusammensetzt. Opulente Bilder umrahmen die altmodische Außenseitergeschichte und ihre zeitlose Toleranzbotschaft, während Sally Hawkins als unwahrscheinliche Heldin das menschliche Herz des Films zum Schlagen bringt.

Markus Heidemann