Kino

Kinofilm der Woche

Lucky

Alamode • 8. März

Würdigung des Lebenswerks eines großen Charakterdarstellers und gleichzeitig Abschiedsgeschenk eines Publikumslieblings: Harry Dean Stanton ist „Lucky“.

Jeden Tag dieselbe Routine: Für den 90-jährigen Lucky beginnt jeder Morgen gleich. Er zündet sich eine Zigarette an, hört Mariachi-Musik aus dem Radio, während er sich wäscht, rasiert und Yoga-Übungen macht. Er trinkt das vorbereitete Glas mit Eiskaff ee aus dem Kühlschrank und stellt ein neues hinein, zieht sich an, setzt den Cowboyhut auf und macht sich auf seine Runde durch die Kleinstadt, irgendwo in der Wüste. Auf einen Kaffee mit Kreuzworträtsel im Diner folgt der Plausch im örtlichen Supermarkt, ehe er zu Hause Gameshows ohne Ton ansieht und über ein rotes Telefon mit einer unbekannten Person kryptisch philosophiert. Bei einer Bloody Mary am Abend setzt er seine Gespräche in einer Bar, mit nicht minder kuriosen Besuchern fort. Doch dann kippt er eines Morgens plötzlich aus heiterem Himmel um. Er ist nicht verletzt, aber sein Arzt konfrontiert den knorrigen Lucky mit einer Wahrheit, die ihn aus der Bahn wirft : Er ist alt und sein Körper wird nicht ewig leben! Das wirbelt Luckys stoische Gewohnheiten kräftig durcheinander und er beginnt sein Leben und das seiner Mitmenschen mit anderen Augen zu sehen. Die Autoren Logan Sparks und Drago Sumonja haben die Rolle des Lucky dem Hauptdarsteller Harry Dean Stanton auf den Leib geschrieben. Es ist der letzte Film eines einzigartigen Charakterdarstellers des US-Kinos, der in sechs Jahrzehnten in fast 200 Kinoproduktionen mitgewirkt hat. Darunter Indie-Kultfilme wie Monte Hellmanns „Asphaltrennen“, John Carpenters „Die Klapperschlange“, Martin Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ oder David Lynchs „Twin Peaks“, aber auch große Hollywoodproduktionen wie „Der Pate II“, „Alien“ oder zuletzt „Marvel’s The Avengers“. Seinen internationalen Durchbruch feierte er 1984, mit einer seiner wenigen Hauptrollen, in Wim Wenders‘ „Paris, Texas“. Als großartiger Sänger spielte er zudem mit der „Harry Dean Stanton Band“ einen Mix aus Country, Pop, Jazz und Mariachi-Musik. Das Regiedebüt von Schauspieler John Carrol Lynch stellt Stanton ganz ins Zentrum seiner kleinen lakonischen Geschichte über das Alter, den Tod und das Leben. Dass David Lynch hier in einer Nebenrolle als Schildkrötenliebhaber Howard auftritt, ist eines von vielen Details, die „Lucky“ zur gebührenden Würdigung des Lebenswerks von Harry Dean Stanton machen, der am 15. September 2017 mit 91 Jahren in Los Angeles gestorben ist.

Fazit: FAZIT: Als hätten Aki Kaurismäki und Jim Jarmush ein Sequel zu David Lynchs „The Straight Story“ gedreht: Ein lakonischer Abgesang auf einen der ausdrucksstärksten und sympathischsten Knochen der Filmgeschichte und gleichzeitig eine witzige und wehmütige Hommage an das Indiekino der 80er-Jahre. Die letzte Rolle des wunderbaren Harry Dean Stanton, ist die seines Lebens.

Autor: Jens Mayer