Literatur

Ida Simons

Vor Mitternacht

Luchterhand · 3. Oktober

Manchmal fällt in den Wirren der Geschichte das Licht auf einen Roman ganz unverhofft zu einem späteren Zeitpunkt – oder auch gar nicht. In diesem Fall kann man von Glück sprechen, dass Ida Simons autobiografischer Roman „Vor Mitternacht“ unlängst wiederentdeckt wurde und nun erstmals aus dem Niederländischen übersetzt vorliegt. Die Lebensgeschichte der jüdischen Konzertpianistin und Autorin ermöglicht einen eindrucksvollen Blick auf die Zeit der Besatzung Belgiens durch das NS-Regime und auf die Repressalien, die die jüdische Bevölkerung erdulden musste. So avancierte Simons in den Dreißigerjahren zu einer international gefeierten Pianistin, deren Karriere jedoch durch die Invasion der Deutschen ein jähes Ende fand. Sie überlebte den Krieg und das KZ Theresienstadt, doch gesundheitliche Probleme zwangen sie dazu, die Tasten ruhen zu lassen. Simons fand Zeit zum Schreiben, starb jedoch ein Jahr nach Erscheinen ihres zweiten Romans „Vor Mitternacht“ mit nur 49 Jahren. Im Buch erzählt sie mit Witz und Temperament die berührende Geschichte einer jüdisch-belgischen Familie in Antwerpen der Zwanzigerjahre aus Sicht des zwölfjährigen Mädchens Gittel, die von dem Wunsch beseelt ist, Pianistin zu werden. Eine eindrucksvolle Odyssee um Haltung, Vertrauen und das Erwachsenenwerden zwischen den beiden Weltkriegen.

Björn Eenboom