Literatur

Gregor Weber

Asphaltseele

Heyne Hardcore · 12. September

Raus aus dem Mittelmaß

Bundeswehr-Offizier, „Tatort“-Kommissar, Koch, Schriftsteller: Gregor Weber ist ein Allround-Talent. In seinem Thriller „Asphaltseele“ bündelte er Erfahrungen.

Es gibt Menschen, die dermaßen viele Talente besitzen, dass sie ein ganzes Leben benötigen, um sie auszuformulieren. Der Saarländer Gregor Weber ist so einer. Erst erfolgreicher Marine-Offizier, dazu Studium der Kunst und Musik, danach „Tatort“-Kommissar und auch sonst gefragter Schauspieler, nebenbei Reserve-Feldwebel in Afghanistan. Später eine Ausbildung zum Koch, das erste Buch über das Kochen mit Promiköchen – und dabei die Entdeckung, dass er auch schreiben kann. Da drängt sich die Frage auf: Wie lebt es sich mit so vielen Talenten? „Ob das wirklich alles Talente sind, lasse ich mal dahingestellt“, sagt Weber. „Vieles ist eher aus der Not heraus geboren, etwa die Ausbildung zum Koch.“ Von der Schauspielerei allein könne man eben nur schwer eine vierköpfige Familie ernähren. Außerdem sei ihm das Spielen in der Gemengelage deutscher Filmfinanzierung tüchtig verleidet worden: „Qualität oder echte künstlerische Arbeit sind dort nicht gefragt. Hauptsache, man liefert auf den Punkt ab. Das ist wie auf dem Kasernenhof.“ Auf ein einziges visuelles Werk sei er stolz – den Kurzfilm „Spielzeugland“, in dem Weber einen SS-Mann spielt und der prompt einen Oscar für den besten Kurzspielfilm erhielt. Davon abgesehen habe er weder dem Publikum noch sich selbst jemals beweisen können, „ob ich als Schauspieler wirklich gut bin. In 20 Jahren nicht. Es gab einfach nie den Raum für mehr als Mittelmaß.“ Anders sei dies nun beim Schreiben. Nach zwei Krimis rund um den eher piefigen Ermittler Kurt Grewe hat er nun mit „Asphaltseele“ einen kantigen und unkonventionellen Thriller verfasst. Protagonist ist Ruben Rubeck, einst ehemaliger Elitesoldat im Krieg um Ex-Jugoslawien, nun streitbarer, alkoholkranker Ermittler im Frankfurter Bahnhofsviertel. Zufällig gerät er in eine Schießerei zwischen rivalisierenden Gangs, tötet dabei einen ehemaligen GSG9-Mann, der inzwischen als Personenschützer für einen Unterweltpaten arbeitet und steckt somit ungewollt mitten in einem Bandenkrieg, der sich bis in seine eigene Vergangenheit erstreckt. Diese ziemlich brutale Story bildet nur die eine Seite – an Fahrt gewinnt der postmoderne Krimi erst durch die feine Beobachtungsgabe Webers, die sich an vielen Stellen aus seinen eigenen Erfahrungen speist. Die Militärzeit, das Dramaturgische eines guten Krimis und die Kraft guter Dialoge, die er aus Drehbüchern mitnahm: Weber versteht es, gesammelte Erfahrungen in neue Kanäle zu transferieren.

Unser Fazit: Es geht wild zu in „Asphaltseele“, geschönt wird nichts. Eine lebensnahe, wilde Story, ein Ermittler als Suffkopf, den man als Held nur schwer ins Herz schließen kann, alles gepaart mit einer derben, für einen Thriller ungewöhnlich komischen Gossensprache: „Asphaltseele“ zeigt, dass in dem Ex-Schauspieler Gregor Weber erneut ein frisches Talent schlummert.

Sascha Krüger