Kino
Filmstarts der Woche
The Salesman
Prokino, 02.02.2017
Auch im siebten Film des iranischen Regisseurs und Drehbuchautoren Asghar Farhadi ist noch immer keine filmische Heiterkeit am Horizont. Der unlängst für die Academy-Awards nominierte „The Salesman“ verhandelt große Themen wie Rache, Trauer und eine patriarchische Sittenordnung im Kleinen mit einer bitteren Konsequenz, dass es westeuropäische Zuschauer in die Kinosessel presst. Im Zentrum all dessen: der Lehrer Emad und seine Frau Rana, die, nachdem sie unerwartet aus ihrer alten Wohnung ausziehen mussten, in der neuen Unterkunft einen traumatischen Zwischenfall erleiden: Rana wird dort von einem Mann überfallen und verletzt. Es stellt sich heraus, dass dieser auf der Suche nach der früheren Vermieterin, einer Prostituierten, war. Fortan zieht Rana sich immer weiter zurück - eine Wesensänderung, die Emad weder richtig wahrnimmt noch liebevoll auffangen kann. Stattdessen versteigt er sich in Racheplänen. Diese Entfremdung inszeniert Farhadi mit einem gnadenlosen Sinn für Authentizität. Schlicht herausragend. Jonas Grabosch
Die irre Heldentour des Billy Lynn
Sony, 02.02.2017
Ang Lee mag mit seiner Romanverfilmung nie ganz die bezwingende, emotionale Dichte erreichen, die man aus früheren Filmen kennt. Doch die Geschichte einer Gruppe junger Soldaten, die nach ihrer Heimkehr in einen merkwürdigen Patriotismus-Marketing-Strudel gerät, steckt voller packender, kluger Momente – und Hauptdarsteller Joe Alwyn ist eine echte Entdeckung. Patrick Heidmann
Live By Night
Warner, 02.02.2017
Kritiker sind unfair. Und das Publikum auch. Da verfilmt Oscargewinner Ben Affleck („Argo“) ein Gangster-Epos von Kultautor Dennis Lehane („Shutter Island“), holt sich renommierte Kollegen wie Brendan Gleeson an Bord, lässt mit visuellem Aufwand das Boston und Miami der Zwanzigerjahre auferstehen – und doch zeigen sich Rezensenten wie Zuschauer - zumindest in den USA – unbeeindruckt. Offenbar scheint die Geschichte eines Gesetzlosen (Affleck), der sich an seinem früheren Boss rächt und zum Rum-König von Florida aufsteigt, nicht ganz den Zeitgeist zu treffen - und das obwohl sie den amerikanischen Anti-Einwanderungs-Rassismus aufs Korn nimmt. Ganz so schlimm ist das aber nicht, denn das Drehbuch schlägt originelle Haken, stürzt seinen Protagonisten in packende moralische Dilemmata und setzt damit neue Akzente in diesem Genre. Actionszenen sind handwerklich einwandfrei inszeniert, die Charaktere glaubwürdig entwickelt. So kann „Live By Night“ als solides Gegenprogramm zum aktuellen Mainstream gelten. Rüdiger Sturm
Volt
Farbfilm, 02.02.2017
Die aktuelle globale Stimmung zu Migrationsströmen und Abschottung wird in dieser Dystopie weitergedacht. Transitlager umgeben Deutschland und werden zu Becken zerbrechender Hoffnung und brachialer Staatskontrolle. Polizist Volt (Benno Fürmann), selbst ein gebrochener Einzelgänger mit Alkoholproblem und kaputter Beziehung, tötet während eines Deportationseinsatzes einen Nigerianer im Zweikampf. Von der Schwere der Tat überwältigt, verheimlicht er diese und verfängt sich in einem Netz aus Falschaussagen, Aufständen und Polizeigewalt. Dem palästinensischen Regisseur und ehemaligem Boxer Tarek Ehlail gelingt es, das Thema Flucht und Asyl ungeschminkt zu vermitteln. Er erzählt, fernab von Willkommenskultur und Populismus, von verzweifelten Menschen auf der Flucht in ein vermeintlich besseres Leben. Die treibende Film-Musik und monochrome Bilder machen „Volt“ zudem ästhetisch sehenswert. Fürmann überzeugt mit minimalistischem Mienenspiel und in den Nebenrollen glänzen Sascha Alexander Geršak und Sängerin Ayo. Miguel Peromingo