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ES

Warner • 22. Februar

ES Poster Jede Nacht von ihm geträumt

Die ersten Karriere-Jahre stand Bill Skarsgård (zuletzt u.a. in „Atomic Blonde“ zu sehen) im Schatten seines Vaters Stellan und seines großen Bruders Alexander. Doch nun hat der 27-jährige Schwede in Sachen Erfolg den Rest der Familie in die Tasche gesteckt – und als Horror-Clown Pennywise in der Stephen King-Verfilmung „Es“ einen Welterfolg gelandet.

Bill, was macht den Clown Pennywise Ihrer Meinung nach so faszinierend?

Zunächst einmal ist da natürlich dieses Bild, das so ikonisch geworden ist: ein Clown, der aus einem Gully guckt. Dieser Anblick ist auf Anhieb furchteinflößend – und unvergesslich. Man wird dieses Bild nicht so schnell wieder los, gerade weil man es eben nicht wirklich versteht. Abgesehen davon, war Pennywise quasi der erste seiner Art. Bevor Stephen Kings Roman „Es“ erschien, gab es eigentlich keine gruseligen Clowns. Vielleicht hatten ein paar Menschen eine Phobie oder so. Aber im Grunde sah man Clowns doch als fröhliche Gesellen. Seit 1985 hat sich das grundlegend geändert. Plötzlich gibt es überall Horror-Clowns, nicht nur auf der Leinwand, sondern ja sogar im echten Leben.

Ist der Clown der Grund für den Erfolg von „Es“?

Nicht der einzige. Fast noch wichtiger, nicht zuletzt in unserem Film, sind die Kinder. Sie sind alle mehr oder weniger Außenseiter und Einzelgänger, die ganze Welt scheint sich gegen sie verschworen zu haben. Gleichzeitig sind sie die einzigen, die zu erkennen scheinen, was um sie herum in ihrer Stadt passiert, während die Erwachsenen nichts mitbekommen und in ihrer Routine feststecken. Die Kinder müssen sich also selbst zu helfen wissen, und ich glaube, genau das ist die Botschaft, die in dieser Geschichte so viele anspricht. Dass es ein Segen sein kann, wenn man sich mit Menschen zusammentut, die in der gleichen Situation stecken wie man selbst. Und dass man sich gemeinsam seinen Ängsten stellen kann, um sie zu überwinden.

Insgesamt ist die Geschichte aber nicht wirklich etwas für Kinder, oder? In Deutschland zum Beispiel ist der Film nun erst ab 16 Jahren freigegeben...

Klar, die Story ist ganz schön gruselig. Aber Stephen King schreibt auf eine Art und Weise, die Jugendliche anspricht. Ich weiß noch, dass früher viele meiner Freunde „Es“ gelesen haben, als wir 12 oder 13 Jahre alt waren. Die waren begeistert, weil in dem Buch große Themen des Lebens verhandelt werden, auf spannende und einfallsreiche Weise. Das ist gar nicht so anders als in den wunderbaren Büchern von Astrid Lindgren. Nur dass die nicht so unheimlich sind.

Was hat Ihnen Angst gemacht als Sie jung waren?

Ich war ehrlich gesagt nicht sonderlich ängstlich. Ich habe mich weder vor Spinnen gefürchtet, noch daran geglaubt, dass unter meinem Bett Monster wohnen könnten. Ohnehin habe ich schon als Kind klar unterscheiden können zwischen der Realität und Träumen oder ausgedachten Geschichten.

Sie haben sich nie vor irgendetwas gefürchtet?

Es gab mal einen Moment in meiner Kindheit, in dem mich plötzlich die Angst überkam, weil mir klar wurde, dass ich irgendwann sterben würde. Weinend lief ich zu meinen Eltern, doch mein Vater, der, wie wir alle, mit Glauben nichts am Hut hat, blieb total nüchtern. „Du hast recht, natürlich musst du irgendwann sterben. Wie wir alle. Es gibt kein Leben nach dem Tod und keinen Himmel. Nach dem Tod ist alles wieder so, wie es auch schon vor deiner Geburt war“. Das war seine Antwort – und mich beruhigte das tatsächlich, denn es leuchtete mir absolut ein. Etwas anderes, das mein Vater immer zu uns gesagt hat, war: „Monster gibt es in Wirklichkeit nicht, aber Hitler gab es.“ Uns war immer klar, dass Rassismus, Intoleranz und solche Dinge die Welt zu einem furchterregenden Ort machen, nicht Gespenster, Monster oder Clowns.

Und Pennywise? Hinterließ der Spuren bei Ihnen?

Das kann man wohl sagen. Eigentlich kam das Ende des Films für mich ganz abrupt. Wir drehten in Toronto die letzte Szene, verabschiedeten uns voneinander und keine 24 Stunden später saß ich in Stockholm bei meiner Mutter am Küchentisch und trank Kaffee. Vom Gully direkt ins Haus meiner Kindheit sozusagen. Das war ziemlich verrückt, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, die drei Monate davor seien nur Einbildung gewesen. Doch dann habe ich zwei Wochen lang wirklich jede Nacht von Pennywise geträumt. Mal kamen wir beide im Traum vor, mal war ich er. Das war wie ein langer, mühsamer Exorzismus, denn dieser Clown schien sich mit aller Macht dagegen zu sträuben, dass ich ihn hinter mir lasse.

Fazit:
Das Rad wird nicht neu erfunden in „Es“, der Speerspitze des derzeitigen King-Revivals in Film und Fernsehen. Doch Regisseur Andrés Muschietti („Mama“) gelingt ein überaus effektiver, weil wahrhaftig gruseliger und hochwertig aussehender Horrorfilm, der nicht zuletzt von tollen (Kinder-)Darstellern und einer guten Portion Menschlichkeit lebt.

Interview: Patrick Heidmann