Kino

Die Neustarts der Woche

Elle | Empörung | Fences | T2. Trainspotting | Schatz, nimm du sie!

Elle
MFA

Nach wenigen Sekunden ist die Sache klar: Im Vorspann flackert der Name von Regisseur Paul Verhoeven, begleitet von weiblichem Stöhnen. Jeder Zuschauer, der seine Dramen und Thriller von "Türkische Früchte" bis "Basic Instinct" kennt, versteht die Ironie. Darauf folgt die Aufnahme einer Katze, die ein Paar beim leidenschaftlichen Sex beobachtet, der sich jedoch schnell als Vergewaltigung entpuppt. Aber ist das wirklich ein Gewaltakt? Zu gelassen zeigt sich das Opfer, die Geschäftsfrau Michelle (Isabelle Huppert). Zur Polizei geht sie nicht, schließlich hat sie als Tochter eines Massenmörders zweifelhafte Erfahrungen mit den Behörden gemacht. Stattdessen beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Täter. Ähnlich geschieht dies beim Zuschauer, der gar nicht so recht weiß, ob es sich um einen Thriller, ein Liebesdrama oder eine schwarze Komödie handelt. Erzählrhythmus und Tonalität sind perfekt austariert, was die Verfilmung des Philippe Dijan-Romans "Oh..." zu einer Provokation von meisterlicher Eleganz macht.
Rüdiger Sturm


Empörung
X-Verleih/Warner

Was er sucht, ist Freiheit. Auf was er trifft, ist Widerstand. Was ihn irritiert, ist das blonde Mädchen in seinem Philosophie-Kurs. Marcus Messner (Logan Lerman) erlebt in Philip Roths Roman "Empörung" die emotionalen Höhen und Tiefen eines typischen ersten Semesters auf einem amerikanischen College. Regisseur James Schamus verankert die Geschichte in seiner Filmadaption jedoch per Ausstattung fest im Jahr 1951. So passiert es, dass eine zart gelbe Strickjacke unbeabsichtigt mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als das Mädchen, das sie trägt (Sarah Gadon) und die verliebten Blicke, die sie Marcus zuwirft. Schamus hat es vor allem als Produzent von Ang Lee-Filmen längst zum PhD gebracht ("Brokeback Mountain") und als Drehbuchautor mindestens zum Master ("Der Eissturm"). Als Regiedebütant aber findet er noch nicht den Mut, sich die Freiheit einer eigenen Interpretation herauszunehmen. Ironischerweise ringt damit auch sein jugendlicher Held. Im Finale allerdings etwas erfolgreicher als sein Inszenator.
Edda Bauer


Fences
Paramount

Hollywood-Filme, die eher auf gute Dialoge denn auf explosives Augenpulver setzen, findet man etwa so häufig wie eine Blaue Mauritius auf dem Stadtteil-Flohmarkt. Und wenn doch, handelt es sich meist um eine Herzensangelegenheit des jeweiligen Stars. Wie bei „Fences“, einem mit dem Pulitzer-Preis prämierten Theaterstück des Afroamerikaners August Wilson. Bereits 2010 brillierte Denzel Washington am Broadway in der Rolle des Protagonisten Troy Maxson und sicherte sich die Filmrechte, um daraus seine dritte Regiearbeit zu machen. Mit bemerkenswerter Konsequenz zum Kammerspiel, denn auch die 140 Filmminuten spielen fast ausnahmslos im kleinen Haus der Maxsons im Pittsburgh der Fünfzigerjahre. Zu sehen sind daher nur eine Handvoll Figuren, alle im Clinch mit sich selbst und dem Familien-Oberhaupt, einem kantigen Kerl zwischen weiser Güte und patriarchalischer Strenge. Das allein genügt, um ein mitreißendes Gesellschaftsportrait dieser Zeit zu zeichnen, bei dem Alltägliches zur großen Familien-Tragödie wird.
Sascha Krüger


T2. Trainspotting
Sony Pictures

"Trainspotting" von 1996 wird heute zur Suchtprävention an Schulen gezeigt. "T2", die Fortsetzung, kann in Zukunft zur Vorbeugung der Mid-Life Crisis verwendet werden. Renton (Ewan Mc Gregor) ist nach 20 seriösen Jahren auf Besuch in Edinburgh. Seine Ex-Drogenfreunde Sick Boy und Spud empfangen ihn mit Schlägerei am Billardtisch und Selbstmordversuch. Immerhin hat Renton seine Kumpel damals um viel Geld betrogen. Besonders Begbie sinnt seitdem im Knast auf Rache. Danny Boyle hat seit 1996 unter anderem den Bollywood-Film globalisiert und die Eröffnung der Olympiade in London komponiert. Sein neuer "Trainspotting"-Film ist eine würdige, emotionale Fortsetzung mit gut gelaunten Schauspielern und einer interessanten Melange aus Underworld- und Iggy-Pop-Remixes, neuen Klängen von Young Fathers und alten Hits von Queen oder Blondie. Vor allem ist "T2" aber ein eigenständiges Statement dafür, den Kampf gegen seine Dämonen nie aufzugeben. Ein superber Neuzugang im Cast: Anjela Nedyalkova.
Miguel Peromingo


Schatz, nimm du sie!
Wildbunch

"Ich verzichte nicht auf die Chance meines Lebens, damit du rumvögeln kannst" , sagt Toni (Carolin Kebekus) zu Marc (Maxim Mehmet). Die Scheidung ist längst beschlossen. Nun geht es darum, sich von den Kindern zu trennen. Ja, richtig gelesen. Der obligatorisch erbitterte Kampf um das Sorgerecht fällt aus. Die Mutter will Karriere machen, der Vater auch, die Sprösslinge hängen da nur wie ein Klotz am Bein. Wer kann sich also den Kindern gegenüber so unmöglich benehmen, dass diese abwinken und freiwillig zum anderen ziehen? Im wahren Leben eine Tragödie, wird im Film jegliches Komödienpotential ausgeschöpft. In Frankreich hatte der Plot unter dem Titel „Mama gegen Papa - wer hier verliert, gewinnt“ Erfolg. Die deutsche Kopie hingegen verkrampft etwas an gewolltem Witz. Die Erwartungen an Kebekus sind vergebens: Als Comedian top, brilliert sie hier in der Kategorie unlustig. Mag man den Deutschen auch vorwerfen, immer so furchtbar ernste Filme zu machen. Es wäre in diesem Fall besser gewesen.
Sylvie-Sophie Schindler


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