Kino

Die Neustarts der Woche

Auguste Rodin

Wild Bunch, 31.08.2017

Der Mund der Skulptur wird durch die Hand verdeckt, auch die Augen sind kaum zu erkennen. „Der Denker“ von Auguste Rodin gilt als sein Meisterwerk und Symbol der menschlichen Vernunft und Schöpfungskraft. „Er träumt", beschrieb der Bildhauer die im Original 72 Zentimeter hohe Bronzestatue. „Langsam entwickelt sich der fruchtbare Gedanke in seinem Gehirn. Plötzlich ist er kein Träumer mehr; er ist ein Schöpfer.“ Der Meister selbst hatte sich der Schöpfungskraft mit Leib und Seele verschrieben. Vor hundert Jahren verstorben, zählt er zu den größten europäischen Bildhauern. Rodins Atelier, in dem das Biopic des eigenwilligen Regisseurs Jacques Doillon die meiste Zeit verweilt, ist der Ort seiner Leidenschaft ebenso wie seiner Rastlosigkeit. Mit den Körpern, die unter seinen Händen entstehen, zelebriert Rodin Schmerz und Qual, Lust und Lebenskraft. Die Macht des Thanatos überzieht auch sein Schaffen: alles strebt gen Untergang. So auch seine Liebe zu Camille Claudel, die schon früh verloren scheint.

Sylvie-Sophie Schindler


Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

DCM, 31.08.2017

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt Die erweiterte Welt des Herrn Lehmann lässt Sven Regener nicht los auf seinen literarischen Abstechern, und ebenso wenig können Filmemacher die Finger von selbigen lassen. Im Fall von „Magical Mystery“ ist das eine erfreuliche Nachricht, nicht nur weil Regener in Arne Feldhusen („Stromberg“) und Charly Hübner die perfekten Mitstreiter gefunden hat. Letzterer spielt den aus einer Psycho-Klinik entlassenen Ex-Künstler Karl Schmidt, der in „Herr Lehmann“ noch von Detlev Buck verkörpert wurde. Dieser ist nun als Ferdi zu sehen, der gemeinsam mit Karls Kumpel Raimund (Marc Hosemann) Mitte der Neunziger ein Berliner Techno-Label betreibt und einen Fahrer für eine Deutschland-Tour sucht. Klingt verwirrend? Ist es nicht, denn weder taucht Lehmann in dieser Geschichte auf, noch muss man den Film von 2003 gesehen haben, um sich hieran zu erfreuen. Und Grund zur Freude gibt es genug: Vom herrlich lakonischen Humor über den stimmigen Blick auf ein sehr spezielles Milieu bis hin zu Hübner in Bestform.

Patrick Heidmann


David Lynch: The Art Life

NFP, 31.08.2017

David Lynch: The Art Life „The Art Life“ – also etwa: das Künstlerleben – wollte David Lynch ab dem Moment führen, in dem er den Maler Bushnell Keeler traf. Das war Mitte der Sechziger, Keeler war der Vater eines Mitschülers, und die etwas bärbeißige Art seiner Berufsausübung zeigten dem jungen Lynch, dass es Träume gibt, deren Solidität auch instabile Karrieren wettmacht. Um dieser Erkenntnis durch die knapp 90 Minuten dieser kleinteiligen Dokumentation zu folgen, muss man allerdings Puste haben. Sie besteht im Wesentlichen aus Aufnahmen, die den David Lynch von heute auf seiner Terrasse in Hollywood zeigen, wie er hässliche Gemälde anfertigt und mit seiner Tochter spielt. Darüber gibt es träges Voiceover vom Meisterregisseur selbst („I can’t tell a story“), der sich im Anekdotischen verliert und seine zur Schau gestellte Unergründlichkeit sehr genießt. Erhellendes über Lynchs famose Filme sucht man vergeblich. „The Art Life“ endet mit den Dreharbeiten von „Eraserhead“ – bevor das Künstlerleben also richtig losgeht.

Markus Hockenbrink


Als Paul über das Meer kam

Farbfilm, 31.08.2017

Als Paul über das Meer kam Da steht Jakob neben Paul. Jakob ist gefördert worden, dreht erfolgreiche Dokumentationen und kommt aus Deutschland. Paul, nicht weniger geistreich, ist aus Kamerun geflohen, weil es dort keinen Platz für ihn gab. Sein Vater ist gestorben, weil er sich keine Medikamente leisten konnte. Er referiert nun über europäische Flüchtlingspolitik, manchmal auch zum Missfallen des Filmemachers: würde Paul vielleicht sogar konservativ wählen? In einem Wald in Marokko, wo Paul auf das Go eines Schleppers wartet um nach Europa zu kommen, treffen beide aufeinander. Jakob Preuss („The Other Chelsea“) entschließt sich eine Dokumentation über ihn zu drehen, in dessen Verlauf er sich entschieden muss, ob er objektiver Beobachter bleiben oder helfend in das Geschehen eingreifen will. Am Ende zieht Paul in das alte Kinderzimmer von Jakob in Berlin ein. Sachlich zeichnet der Film das Porträt eines Menschen, der jede erdenkliche Strapaze auf sich genommen hat, um „ein Minimum an Leben“ zu ergattern. Fesselnd!

Nora Harbach