Kino

Die Neustarts der Woche

Silence
Concorde

Wir befinden uns im frühen 17. Jahrhundert, als sich zwei portugiesische Priester nach Japan aufmachen, um dort die christliche Minderheit zu stärken. Bald schon von den dortigen Inquisitoren in Gefangenschaft genommen, wird insbesondere Pater Sebastião Rodrigues‘ (Andrew Garfield) inbrünstiger Glaube auf harte Bewährungsproben gestellt. Als ein zweiter Jesus muss er die Schmerzen der Gefolterten auf sich nehmen. Aber Gott steht ihm ja bei, wie wir jede zweite Minute durch Psalme und Gebetstexte erfahren. Dass der Regisseur sich in epischen Gewaltszenen und inhaltlichen Redundanzen ergeht sowie eine eher schwache Dramaturgie entwickelt, ist das Eine. Das Andere ist eben diese Lehrhaftigkeit in Sachen Christentum, die sich dem Zuschauer aufdrängt. Gemessen an den letzten Meisterwerken „Shutter Island“ und „The Wolf of Wall Street“ bleibt „Silence“ deswegen leicht unter den Erwartungen. Ein Film, der dem ästhetischen und intellektuellen Können seines Schöpfers nicht zu 100 Prozent gerecht wird.
Björn Hayer


Certain Women
Peripher

Der Güterzug, der zu Beginn durchs Bild rollt, nimmt das Tempo vorweg: In Montana geht alles etwas ruhiger zu, was nicht heißt, dass hier die Herzen weniger hoch schlagen. Da wäre zum Beispiel die durchs Leben schlafwandelnde Farmhelferin Jamie (Lily Gladstone), die sich eines Tages in die Abendschule verläuft, wo sie sich in die Aushilfslehrerin (Kristen Stewart) verliebt. Oder die fordernde Ehefrau Gina (Michelle Williams), die einem Pensionär ein paar Wackersteine abschwatzen will, die plötzlich extrem wertvoll erscheinen. Oder die duldsame Anwältin, die einen ihrer weniger ausgeglichenen Klienten von einer Geiselnahme abbringen muss. Regisseurin Kelly Reichardt gilt mit ihrem minimalistischen Erzählton als Darling der Kritik, ihre Bildsprache als präzise und formschön. Die drei Episoden, die sie hier zu ihrem bislang souveränsten Werk verknüpft, basieren auf Kurzgeschichten der ähnlich gesinnten Autorin Maile Meloy und bestätigen diesen Ruf. Jetzt bitte nur niemand „Frauenpower“ sagen.
Markus Hockenbrink


Neo Rauch. Gefährten und Begleiter
Weltkino

Das Baby war vier Wochen alt, als die Eltern es wegen eines Termins an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst bei der Großmutter zurückließen. Sie sollten es nie wieder in Armen halten. Der Zug, den sie für die Rückfahrt nahmen, stieß mit einem anderen zusammen – beide waren sofort tot. Das Kind ist inzwischen 56 Jahre alt. Es studierte später, um seinen Eltern nahe zu sein, ebenfalls in Leipzig und zählt heute zu den bedeutendsten Malern der Gegenwart: Neo Rauch. Man kennt ihn als scheuen, zurückgezogenen Menschen. Nun hat er, erstaunlich genug, sein Atelier für die Filmemacherin Nicola Graef geöffnet. Neben seinen oft verrätselten, teils apokalyptisch anmutenden Bilderwelten, eröffnen sich in langen Gesprächen, auch mit seinen Weggefährten, nach und nach die Innenwelten des Malers in bestechender Zartheit und Sensibilität. Ein Mensch, der zuhause ist zwischen, wie Rilke sagen würde, „Tag und Traum“. Ein großes Glück, dass es gelungen ist, ihn so nah heranzuholen.
Sylvie-Sophie Schindler


Weitere Neustarts der Woche

Der junge Karl Marx
Neue Visionen

Die Frau im Mond. Erinnerung an die Liebe
Studiocanal