Kino

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Sony · 2. Februar

Regisseur Ang Lee nutzt in seinem neuen Film abermals modernste Technik. Und auch wenn diese hierzulande nicht sichtbar wird, ist „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ absolut der Rede wert.

Mr. Lee, die Geschichte Ihres neuen Films ist sehr amerikanisch. Es geht um Patriotismus und junge Soldaten. Was interessierte Sie daran? Mir ging es weniger um das speziell Amerikanische, sondern um die sich verändernde Weltsicht des jungen Protagonisten, nachdem er aus dem Krieg zurückkehrt. In etwa ist das eine Erweiterung der Geschichte, die in „Life of Pi“ erzählt wurde. Darin bricht ebenfalls ein junger Mann auf, wird mit der Wahrhaftigkeit des Lebens konfrontiert und verändert sich daraufhin. Hier fand ich es nun besonders reizvoll, wie Billy damit ringt, nach seiner Rückkehr gar nicht mehr als Individuum, sondern als Objekt wahrgenommen zu werden. Als Vorlage diente der gleichnamige Bestseller-Roman von Ben Fountain. Das stimmt, aber das Buch ist sehr viel satirischer, härter und wertender. Bisweilen ist es sogar richtig bitter – und darin ohne Frage brillant. Für den Film war mehr Empathie nötig. Ich wollte, dass die Zuschauer mit diesen jungen Heimkehrern mitfühlen. Wobei das nicht heißt, dass ich irgendetwas ausschmücke. In jeder Szene ging es mir immer um größtmöglichen Realismus.

Warum haben Sie sich mit Joe Alwyn für einen gänzlich unbekannten Hauptdarsteller entschieden? Mir ging es nicht unbedingt um jemanden, der ein Kamera-Neuling war, sondern um einen jungen Mann, der Unschuld verströmt und trotzdem höchst talentiert ist. Beim Casting stieß ich auf Joe und wusste sofort, dass er der Richtige ist. Das einzige Problem war sein britischer Akzent, aber den abzulegen war für ihn ein Kinderspiel.

Gedreht haben Sie den Film in 3D und mit einer Frequenz von 120 Bildern pro Sekunde. Woher diese Begeisterung für modernste Technik? Bei der Arbeit an „Life of Pi“ habe ich Blut geleckt. Damals habe ich erstmals mit HD und 3D gearbeitet. Das war enorm spannend. Und ich bin überzeugt, dass es unsere Pflicht als Filmemacher ist, die technischen Möglichkeiten zu nutzen, die sich uns heute bieten. Es kann doch nicht sein, dass wir immer neue Fortschritte machen – und trotzdem weiter versuchen, unsere Filme so aussehen zu lassen wie in den Achtzigern. Kollegen wie Quentin Tarantino beharren nostalgisch auf der Tradition... So war ich früher auch. Aber warum sollte Analog und Digital nicht nebeneinander existieren? Dennoch: was die Zukunft bringt, steht außer Frage. Allein weil es nur ein einziges Labor, das Film entwickelt und kaum noch Techniker dafür gibt.

Patrick Heidmann

Fazit

Ang Lee mag mit seiner Romanverfilmung nie ganz die bezwingende, emotionale Dichte erreichen, die man aus früheren Filmen kennt. Doch die Geschichte einer Gruppe junger Soldaten, die nach ihrer Heimkehr in einen merkwürdigen Patriotismus-Marketing-Strudel gerät, steckt voller packender, kluger Momente – und Hauptdarsteller Joe Alwyn ist eine echte Entdeckung.