DVD & Blu-ray

Captain Fantastic

Universum · 27. Dezember

Ein Leben zwischen Tolkien und Karl Marx

„Captain Fantastic – Einmal Wildnis und Zurück“ ist das perfekte Vehikel für die persönlichen Vorlieben und Facetten von Hauptdarsteller Viggo Mortensen.

Sie spielen in „Captain Fantastic“ einen sehr unkonventionellen Typ Vater, der seine Kinder als Selbstversorger in der Wildnis aufzieht, ihnen aber auch progressive Schriftsteller und Philosophen wie Karl Marx näher bringt. Können Sie diesen Erziehungsstil nachvollziehen?
Bis zu einem gewissen Grad schon. Ich habe meinem eigenen Sohn immer vermittelt, dass er eigenständig denken soll. Es war mir wichtig, ihm das Leben in der Natur ebenso wie wichtige literarische Werke zu vermitteln, auch wenn ich jetzt nicht die ganze Zeit mit ihm im Wald gelebt habe. Als er als Sechsjähriger dann anfing, die klassischen Fragen zu etwas kniffligeren Themen wie beispielsweise Sex zu stellen, war ich allerdings weniger offen als meine Figur im Film. Da habe ich die entsprechenden Informationen schon etwas gefiltert.

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            Und dieser Erziehungsstil war erfolgreich?</strong><br>
            Ich denke schon. Er konnte viele Erfahrungen machen und ist daher sehr selbstständig, intelligent und belesen. Glücklicherweise sind wir viel gereist; er war auch bei einigen Dreharbeiten dabei und hat kleinere Rollen gespielt. Irgendwann begann er, sich sehr konsequent für verschiedene Kunstformen zu interessieren. Wann immer ich ihm den Film eines bestimmten Regisseurs zeigte, wollte er gleich alle sehen.
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            Dennoch ist er nicht in Ihre Fußstapfen getreten?</strong><br>
            Zumindest ist er bei den kreativen Berufen geblieben. Er ist ein sehr guter Musiker und Autor. Zuletzt drehte er eine Dokumentation über zwei junge Punkrockerinnen aus Oklahoma, denen er ein Jahr lang gefolgt ist.
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            Wie sind Sie selbst aufgewachsen?</strong><br>
            Meine Eltern sind ebenfalls viel gereist. Ich lebte in den verschiedensten Ländern, ob Dänemark oder Argentinien. Es ist immer sehr fruchtbar, wenn du mehr als nur einer Sprache und Kultur ausgesetzt bist. Dieser Umstand hat mein Interesse am Leben und an Menschen enorm gefördert. Als ich das erste Mal nach Neuseeland reiste, habe ich alles zu diesem Land gelesen, was ich in die Finger bekommen konnte. Doch jeder Ort, jeder Mensch, den du dort kennenlernst, kann dir noch etwas Neues beibringen.
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            In Neuseeland drehten Sie die „Herr der Ringe“- Filme, die Sie zum Weltstar machten. In der „Hobbit“-Trilogie tauchten Sie nicht mehr auf. Bedauern Sie das?</strong><br>
            Einer der Produzenten fragte mich, ob ich wieder mitspielen wolle. Für mich wäre das aber nur in Frage gekommen, wenn es von der Handlung her Sinn ergeben hätte. Und das war ganz offensichtlich nicht der Fall. Das Problem war auch, dass man ein kleines Buch als Ausgangsbasis nahm und versuchte, das Gleiche wie bei „Herr der Ringe“ zu machen – nämlich drei lange Filme, weil das gut fürs Geschäft ist. Und natürlich war das alles sehr digital. Wobei ich es genossen habe, wenn ich zwischendrin auch mal Bilder vertrauter Landschaften gesehen habe. Da kamen Erinnerungen hoch.
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            Seit dieser Rolle haftet Ihnen auch das Image des Naturliebhabers an.</strong><br>
            Das ist korrekt. Ich campe, gehe wandern und fischen. Deshalb drehe ich ja auch mit Vorliebe an solchen Schauplätzen und wenn ich eine Rolle bekomme, die solche Outdoor-Fähigkeiten erfordert, dann nehme ich das als Vorwand, um meinen Vorlieben zu frönen. Überhaupt rückt einem die Konfrontation mit der Natur die eigenen Maßstäbe zurecht. Du spürst, dass du nur ein kleiner Teil eines viel größeren Ganzen bist.
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            Inwiefern beeinflusst das Ihre Sicht aufs Leben?</strong><br>
            Man merkt, wie aberwitzig unsere ganzen Kriege, Streitigkeiten und ideologischen Differenzen sind. Wir sind vergleichbar mit Ameisen, die sich miteinander anlegen. Eine ähnliche Sicht auf die Dinge bekommt man aus einem Flugzeug. Vor mehreren Jahren flog ich einmal über den Irak und unten sah ich nur majestätische Berge, über denen die Sonne unterging. Gleichzeitig schnitten sich die Leute da unten gegenseitig die Köpfe ab, erschossen und entführten einander. Wenn man sich das vor Augen führt, dann kann man nichts anderes denken, als dass das Leben absurd ist.
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            Das klingt aber ganz schön pessimistisch.</strong><br>
            Naja, das ist ja kein unabänderlicher Zustand und trotz allem gibt es natürlich auch Glück. Ich strenge mich täglich aufs Neue an, Glück zu empfinden. Manchmal bin ich gut darin, manchmal nicht. Wichtig ist vor allem der Versuch.
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            <p class="culture-author"><strong>Interview:</strong> Rüdiger Sturm</p>
            <p><strong>Unser Fazit:</strong> 
              Regisseur Matt Ross zeichnet in seinem vielschichtigen Drama das differenzierte Porträt eines alternativen Lebensmodells, das in seinen Details ebenso stimmig wie pointiert ist und deshalb auch als reines Entertainment funktioniert. Emotionaler Anker ist Viggo Mortensen, der durch ein Ensemble exzellenter Nachwuchsdarsteller unterstützt wird. Diese Kombination erklärt den großen Enthusiasmus bei den Filmfestivals und überwindet die Grenzen des Arthaus-Kinos.
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