Literatur

Buchvorstellungen der Woche

Orhan Pamuk - Die rothaarige Frau

Hanser, 25.09.2017

rothaarige Frau Es dauert eine Weile, bis die von Männern dominierte Welt von Orhan Pamuks neuem Werk durch die titelgebende Dame aufgebrochen wird. Der von Ödipus-Bezügen durchzogene Roman dreht sich zunächst um den Verlust der großen Vaterfigur des Erzählers, bald über den Schlenker ihres Ersatzes durch den Brunnenbaumeister Mahmut. „Ich finde ihn schon“, sind ihre ersten Worte, und ein „melancholisches Lächeln“ später ist sie auch schon wieder verschwunden – mitsamt Herz und Verstand des Jungen, der fortan Farben in der staubigen Peripherie Istanbuls sieht, wo doch gar keine zu sein schienen. Hach. Aus dem Licht junger Liebe erhebt sich in Pamuks tempo- und detailreicher Sprache eine Geschichte von Schuld und Loyalität. Dabei zeichnet der Türke nicht nur nebenbei das faszinierend präzise Bild seiner seit jeher von inneren Konflikten wund geriebenen Heimat, das dem Verständnis des Landes und seiner komplexen Kulturgeschichte nur guttun kann. So ist „Die rothaarige Frau“ gewichtig und leicht zugleich.

Friedrich Reip


Christoph Poschenrieder - Kind ohne Namen

Diogenes, 27.09.2017

Kind ohne Namen Christoph Poschenrieders fünfter Roman spielt auf einem Dorf fernab der Welt. Dabei will er gar keine besondere „Dorfmentalität“ unterstellen, ein Dorf sei als Schauplatz und im Vergleich zu einer Stadt, schlichtweg besser als „abgelegen“ vorstellbar. Und das ist dieses Heimatdorf der Ich-Erzählerin Xenia ohne jeden Zweifel. Nach einem Jahr an der Universität kehrt sie, wenn auch nicht ganz freiwillig, dorthin zurück. Xenia ist schwanger, doch nicht einmal ihre Mutter soll davon erfahren. Als Flüchtlinge aus dem Nahen Osten in der Dorfschule Unterschlupf finden, stößt das nicht bei allen auf Zuspruch. In der Absicht, den Dorffrieden wiederherzustellen, lässt sich Xenias Mutter auf einen verhängnisvollen Deal mit dem Burgherrn ein. Schnell denkt man hier an eine „Flüchtlingsgeschichte“, und sicher, das Thema hat gesellschaftliche Relevanz. Doch Poschenrieder möchte vielmehr das ambivalente Verhalten der Figuren in den Fokus rücken und mithilfe seiner starken Erzählkraft ist er erfolgreich.

Hannah Heubel


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