Literatur

Buch der Woche

Stephan Lohse - Ein fauler Gott

Suhrkamp · 6. März

In Stephan Lohses Debütroman liegt die Würze in der Kürze, zumindest was die Sätze angeht, denn sie formulieren die sprunghaften Gedanken des 11-jährigen Ben. Vielleicht sind es noch nicht einmal Gedanken, sondern bloß nebeneinandergestellte Eindrücke wie der Geschmack von Fischfutter, der Anblick der Farbschweife in den Murmeln auf dem Tisch oder die plötzliche Leere nach dem Tod seines kleinen Bruders. Die Tage ziehen jedenfalls wie Wolken vorüber, und in die Wolkenlücken malt Lohse ein wenig Elterngeschichte hinein. „Ein fauler Gott“ spielt sich 1972-73 ab, bei aller Akkuratesse aber ganz ohne Prilblumennostalgie und Jugendliteratur-Lingo. Stattdessen besetzt es ein Vorort-Hamburg als Portal zur immerwährenden Gegenwärtigkeit, bei der sich die Kinderperspektive sehr ansprechend mit einer Poesie der Intuition verbindet. Es sind 300 zügig zu lesende, humorvolle Seiten, die oft wie aus dem eigenen Erinnerungsband gerissen wirken und das Leben als nichtlineare aber wundersame Erzählung feiern.

Markus Hockenbrink