Literatur

Buch der Woche

Moritz von Uslar - Auf ein Frühstücksei mit...

KiWi · 7. September

Uslar Moritz von Uslar ordnet seine Gespräche stets einem Konzept unter und stellt sie in den Dienst einer Kolumne mit klaren Vorgaben. Seit rund fünf Jahren geht er nun mit seinen Promis ein Frühstücksei essen.

Als damals ein Jahr nach Erscheinen der allerersten GALORE-Ausgabe Moritz von Uslars erste Gesprächssammlung „100 Fragen“ in Buchform erschien, durfte man sich als ständiger Mitarbeiter dieses Magazins durchaus angegriffen und in seinem Arbeitsethos beleidigt fühlen. Denn im Vorwort schrieb der begnadete Fragensteller, dass seine Idee, auf Biegen und Brechen innerhalb kurzer Zeit seine 100 Fragen durchzupeitschen, aus der Not entstanden sei, dass man als Journalist im heutigen Gehetze üblicher Promi- und Promo-Interviews ohnehin kein substanzielles Gespräch mit Erkenntnisgewinn führen und daher auf diesen Versuch ganz verzichtet werden könne. Nun, GALORE dürfte seither ein ums andere Mal den Gegenbeweis erbracht haben, und von Uslars „100 Fragen“ haben sich am anderen Ende der Gesprächsführungs-Skala als Prototyp für jeden Interviewer etabliert, dem es vor allem um Frechheit, schlagfertige Schnelligkeit und ein paar situativ provozierte Pointen geht. Nach dem zweiten Teil „99 Fragen“ (mit dem schönen Werbeclaim: „Jetzt eine Frage weniger!“) hat er sich für die ZEIT ein anderes Format ausgedacht und trifft sich seither mit den Gesprächspartnern auf ein Frühstücksei am Morgen. Trotz der Kürze von stets nur zwei (Buch)-Seiten pro Episode bringen diese in vielerlei Hinsicht deutlich mehr Tiefgang mit als die zuweilen doch manchmal penetrant albernen MG-Fragensalven des Vorgänger-Formats. In der Idee, dass Menschen kurz nach dem Wachwerden erstens noch frisch im Kopf und zweitens aber auch noch nicht ganz wach sind, trifft er seine Zielpersonen zum Frühstück und überrascht sie mit Fragen, die in der Vielzahl ebenso unerwartet wie naheliegend sind. Souveräne Unverfrorenheit und gedankliche Cleverness gehen dabei Hand in Hand. Man spürt förmlich, wie die Angesprochenen sich teilweise ertappt, gepiekst und herausgefordert fühlen, ohne dass von Uslar dabei je die Ebene von Respekt oder Höflichkeit verließe. Anstelle einer Interview-Abschrift gibt es darüber sodann schöne Portraits in knapper Prosa, die das Gespräch zwar thematisieren, aber letztlich eher wie eine virtuos verdichtete Draufsicht der gesamten Begegnung wirken. Superb gerät dabei schon die Auswahl der Gesprächspartner: Von medialen Meinungsführern wie Ulrich Wickert, Anne Will, Michel Friedman oder Frank Plasberg über vergilbte oder vergessene Politiker wie Hans-Christian Ströbele, Hans Eichel und Otto Schily bis zu 2.0-Hipstern der Gesellschaft wie Joko Winterscheidt, Helene Hegemann oder Ronja von Rönne reichen die Köpfe, entsprechend vielschichtig sind die Ansichten, die sie mitbringen. Jeder einzelne Text ist gleichsam listig wie lustig, charmant wie frontal, anregend wie entspannend. Und so bleibt nur ein Kritikpunkt anzumerken, ironischerweise der gleiche, der ihn seinerzeit erst zu den „100 Fragen“ brachte: die Kürze. Kaum ist man drin, ist es schon wieder vorbei, man erführe so gern noch viel mehr von jedem dieser Menschen. Aber gut: Es gibt schlimmere Vorwürfe, die man einem Journalisten machen kann.

Sascha Krüger