Literatur

Buch der Woche

Ich bin mal eben wieder tot - Nicholas Müller

Knaur · 2. Oktober

Müller Nicholas Müller ist Musiker, Sänger und seit einigen Jahren auch Schirmherr der Deutschen Angstselbsthilfe. In seinem ersten Buch „Ich bin mal eben wieder tot“ erzählt er seine bewegende Geschichte.

Ein Buch schreiben wollte Nicholas Müller schon bevor er angefangen hat Musik zu machen. Als Kind bekommt er eine Schreibmaschine geschenkt und als überzeugter Pragmatiker ist da der Gedanke nicht weit, dass man als Besitzer einer Schreibmaschine eben auch ein Buch schreiben könnte. Im Laufe seiner Musikerkarriere geht er dieses Vorhaben mit verschiedenen Romananfängen immer wieder an, kommt aber nie zu einem Ende. Als er sich schließlich schweren Herzens dazu entscheidet, seiner Erfolgsband Jupiter Jones wegen seiner Angststörung den Rücken zu kehren und offen darüber zu sprechen, dauert es nicht lange bis die ersten Verlage an die Türe klopften. „Zuerst habe ich mit dem Gedanken gespielt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und einen Roman über jemanden zu schreiben, der Angst hat. Das ist aber automatisch ein Eiertanz. Man muss dann immer erklären, dass das zwar ein Roman, der Protagonist aber eigentlich man selbst ist. Damit ist den Menschen, die unter den gleichen Problemen leiden überhaupt nicht geholfen, weil man um diese ganze Angstsache letztlich einen Bogen schlägt und sich künstlich für etwas schämt, was allein in Deutschland zehn Millionen Menschen betrifft. Deswegen habe ich einen autobiographischen Roman mit Sachbuchanteil geschrieben“, erklärt Müller und lacht über seine neue Genre-Kreation. Einer der vielen Grundsätze Müllers ist: Schäme dich nicht. Scham spielt eine große Rolle in „Ich bin mal eben wieder tot“, denn leider empfinden dies immer noch viel zu viele Menschen, wenn es um psychische Krankheiten geht. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass es eben keinen eindeutigen Beleg gibt. Die Diagnosen sind nicht wirklich abbildbar. „Wenn jemand sagt, er habe Krebs, dann ist das ganz furchtbar, aber niemand fragt nach. Doch wenn man sagt, dass man eine Angststörung hat, dann hört man oft so etwas wie: ‚Warum denn? Es ist doch gar nichts passiert.’ Man gerät sofort in Erklärungsnot.“ Ein weiterer Grund ist, dass eine psychische Erkrankung von vielen immer noch als Synonym für „Verrückt sein“ verstanden wird: „Viele haben direkt dieses Bild von einem Menschen in Zwangsjacke vor sich, der wild um sich schreit und ins Irrenhaus muss“, erläutert Müller. Vielleicht kommt daher auch die Scheu vieler Menschen, sich in Therapie zu begeben. Die war für Müller in jedem Fall ein Wendepunkt, auch wenn die Angst ihn bis heute nicht ganz verlassen hat: „Ich halte die Wahrscheinlichkeit für höher, dass sie mich in einem Maß, das ich unter Kontrolle habe mein Leben lang begleiten wird. So wie eine Narbe, die ein bisschen juckt und kratzt wenn sich das Wetter verändert.“

Fazit:

Nicholas Müller erzählt schonungslos, detailreich und sehr bildgewaltig von seinem Leben mit der Angst und macht dieses Krankheitsbild für Außenstehende ein bisschen greifbarer. „Ich bin mal eben wieder tot“ ist keine angenehme Gute-Nacht-Geschichte und sollte gerade deswegen Pflichtlektüre für alle sein, die psychische Krankheiten immer noch für einen Mythos halten.

Katharina Raskob (Foto: Philipp Haas)


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