Literatur

Buch der Woche

Andrea Cannobio - Drei Lichtjahre

Rowohlt · 23. Juni

Gefühle löse er lieber aus, anstatt über sie zu schreiben, meinte Autor Martin Suter im GALORE-Interview; „zumal das auch schnell kitschig wird.“ Ja: Die reine, stille Liebe zur Hauptattraktion eines Romans zu erklären, ist mutig, allemal für einen Mann. Nun ist Andrea Cannobio erstens Italiener, was ihm den Umgang mit starken, widersprüchlichen Emotionen quasi schon genetisch erleichtert. Zweitens ist er im Hauptberuf Lektor für internationale Literatur und weiß damit präzise, wie man die Liebe auch ohne Groschenroman-Pathos zum größten Zauber des Zwischenmenschlichen stilisiert. Man begleitet abwechselnd den Arzt Claudio Viberti, Anfang 40, ein König des Zauderns, seine Kollegin Cecilia, die Claudio still und heimlich zu lieben beginnt, sowie Cecilias Schwester, die ihr eigenes Interesse an Claudio hegt. Mehr braucht Cannobio nicht für ein Buch, das in seiner Sprachmacht, gedanklichen Präzision und Empathiefähigkeit selbst Beziehungs-Chronisten wie Paul Auster locker die Hand reichen kann.

Sascha Krüger