Musik

Album des Monats

Omer Klein "Sleepwalkers"

Warner · 17. Februar

„Wir sollten uns selbst gehören“

Omer Klein hat sich mit seinem meisterhaften Klavierspiel längst einen Namen gemacht. Mit seinem neuen Album „Sleepwalkers“ betritt der gebürtige Israeli, der bereits seit mehreren Jahren in Deutschland lebt, persönliches Neuland. Erstmals schreibt er statt einzelner Stücke ein zusammenhängendes Werk, und überträgt damit seine Leidenschaft fürs Geschichtenerzählen in Buch und Film auch in die Musik.

Ihre beiden Mitmusiker Haggai Cohen-Milo und Amir Bresler haben bei Ihrem neuen Album „Sleepwalkers“ eine wichtige Rolle gespielt. Wie hat sich Ihr Trio verändert, seitdem Bresler am Schlagzeug sitzt?
Es fühlt sich einfach anders an. Jeder Musiker entspricht einem Element: Feuer, Wasser, Erde. Seit Amir Teil unseres Trios ist, sind diese Elemente ausgeglichener. In meinem „alten“ Trio mit Ziv Ravitz hatte ich das Gefühl, dass ich mich vor allem um die Basis kümmern muss. Jetzt kann ich jede beliebige Rolle einnehmen und muss mich nicht mehr so sehr auf das Element „Erde“ konzentrieren, sondern kann auch mal fliegen.

Wie kann man sich das gemeinsame Komponieren vorstellen?
Da gibt es zwei verschieden Arten. Manchmal spiele ich Klavier und höre dabei schon genau, was Bass und Schlagzeug in dem Song machen. Das erkläre ich den beiden dann ganz dezidiert. „Underdog“ ist zum Beispiel so entstanden. Bei „One Step At A Time“ habe ich aber nur den Klavierpart geschrieben. Den habe ich Haggai und Amir vorgespielt, woraufhin die ein paar Dinge ausprobiert haben, die großartig passten und dann einfach so geblieben sind.

Auf „Sleepwalkers“ widmen Sie sich drei großen Themen: Unsere Nutzung von Technologie, den mystischen und den freigeistigen Aspekt von Musik. Was war zuerst da? Die Idee der Konzepte oder die Musik?
Material nach einer zuvor konzipierten Idee zu schreiben hat für mich noch nie funktioniert. Das Konzept oder das Gesamtbild ist nur gut, wenn es von der Musik selbst kommt. Wenn die Musik das Konzept gewissermaßen zwingt, genau das zu sein. Ich habe oft versucht, nach einer großen Idee zu schreiben, bin dann aber immer gegen die Wand gefahren und habe realisiert, dass die Idee mich eher einschränkt statt zu befreien. Für mich ist Komponieren ein bisschen wie Bildhauerei. Man beginnt mit einem großen Klotz, aus dem am Ende irgendetwas entsteht, von dem man vorher noch keine Ahnung hatte. In diesen Entstehungsprozess fließt alles mit ein, was zu der Zeit um mich herum passiert –persönlich, intellektuell und gesellschaftlich.

Was hat Sie denn beim Schreiben von „Sleepwalkers“ besonders beschäftigt?
Als ich an dieser Platte gearbeitet habe, wurde die ganze Trump-Sache ernst. Plötzlich wurde aus dem clownesken Phänomen ein bedrohlicher Gedanke. Künstler sind wie die Antenne der Gesellschaft. Wir merken oft einen Moment früher, dass gerade etwas schief läuft. „Sleepwalkers“ habe ich aus dieser Sorge heraus geschrieben. Dass die Menschen wie Zombies nur auf ihre Handys fokussiert durch die Straßen laufen und ohne nachzudenken extremistische Staatsoberhäupter wählen. Mit meiner Musik möchte ich sie aufwecken.

Gehen Sie denn selbst mit gutem Beispiel voran und nutzen Ihr Smartphone bewusster?
Das Schreiben dieses Albums und die Auseinandersetzung mit der Thematik hat mir gezeigt, dass Handynutzung tatsächlich eine Sucht ist. Ganz ähnlich wie das Rauchen. Es hat einen entspannenden Effekt, obwohl es dich nicht wirklich entspannt. Es hilft nicht langfristig, sondern nur für den Moment. Das Smartphone bombardiert dich mit Tonnen von unnützen Informationen, nach denen du nie gefragt hast und die du nicht brauchst. Die Firmen haben einen sehr cleveren Weg gefunden, uns konstant ihrer Werbung auszusetzen, während wir annehmen, dass wir das Smartphone als Produkt nutzen. Dabei ist es eigentlich genau umgekehrt: Wir sind das Produkt und werden benutzt.

Was kann man dagegen tun?
Für mich war das ein harter Kampf. Man muss nach Alternativen suchen. Ich lese jetzt beispielsweise wieder mehr Magazine und Zeitungen und bekomme daher meine Informationen. Außerdem habe ich das Telefon aus dem Schlafzimmer verbannt. Wir sollten uns selbst gehören – und nicht unserem Smartphone. Interview: Katharina Raskob

Unser Fazit:

Auf „Sleepwalkers“ erzählt Omer Klein mit seiner Musik Geschichten. Mal nachdenkliche, wie beispielsweise bei „Wonder And Awe“, das mit seinen introvertierten Klavierklängen Chopin’schen Charme versprüht. Im Gegengewicht dazu stehen die leichten und freimütigen Stücke wie „Hookup“ oder „Blinky Palermo“. Das Klavierspiel und die Trioarbeit ist bei allen dreizehn Eigenkompositionen brillant. Omer Klein schafft es, Virtuosität und Eingängigkeit zu vereinen.

Katharina Raskob