Musik

Album der Woche

Kat Frankie • Bad Behaviour

Grönland Records • 02. Februar

Photo: Sabrina Theissen

Kat Frankie Bad Behaviour

Fanfare für einen Idioten

Die großen Bühnen kennt Kat Frankie vom Eurovision-Vorentscheid mit ihrer Band Keøma und als Duettpartnerin von Clueso, aber ihre eigenen Songs sollen lieber im starken Mittelfeld spielen. Dort vertont sie absurde Geschichten mithilfe von poppigen Melodien und Beats, die „Bad Behaviour“ tanzbarer machen als seine Vorgänger. Interviews gibt die gebürtige Australierin, die seit über zehn Jahren in Berlin lebt, locker zweisprachig.

Sie bezeichnen ihr neues Album selbst als „obnoxious“ und sagen direkt dazu, dass es für dieses Wort keine gute deutsche Entsprechung gibt. Versuchen Sie sich trotzdem an einer?

Auf dem Album gibt es einen Song namens „Headed For The Reaper“, der einen ganz fürchterlichen Bläser-Part im Refrain hat, ungefähr so: Sss sss sss sss sss... Das ist obnoxious. Obnoxious ist eine Einstellung, sie ist unhöflich, aber es kann eben auch jede Menge Spaß machen, sich nicht darum zu scheren, was andere denken.

Obnoxious klingt nach einer Horn-Fanfare?

Wie ein Song klingt, hängt bei mir immer stark mit der Idee dahinter zusammen. „Headed For The Reaper“ handelt von einer wahren Geschichte, die ich in der New York Times gelesen habe. Es ging um einen Amateur-Cage-Fighter, der seinen eigenen Tod vorgetäuscht hat, weil er Drogenschulden hatte. Er war nicht mal ein besonders guter Kämpfer, und eigentlich mochte ihn auch niemand besonders, aber es gab trotzdem eine Trauerfeier und alles. Er versteckte sich währenddessen auf dem Dachboden seiner Mutter, bis er wieder Geld brauchte und sich entschloss, einen Laden auszurauben. Blöderweise hatte er seine Waffe vergessen und nur einen Hammer dabei, mit dem er auf den Ladenbesitzer losging, der zum Glück überlebte. Die Überwachungskameras filmten das alles mit, einer der Gäste der Trauerfeier sah die Bilder im Fernsehen und erkannte ihn. Die Polizei schnappte ihn an der Grenze zu Mexiko. Eine Geschichte wie aus einem Film der Coen-Brüder. Was für ein Vollidiot. Und so ein Idiot braucht ein Element im Song, das ihn widerspiegelt. So ist das in meiner Musik oft: Manche Teile mögen sich merkwürdig anhören, aber in der Welt des Songs ergeben sie absolut Sinn.

Bei allen Merkwürdigkeiten ist Ihr neues Album aber auch sehr tanzbar.

Ja, ich hatte das Gefühl, bei den letzten Alben schon genug mit akustischen Klängen gearbeitet zu haben. Bei der Produktion des letzten Keøma-Albums habe ich schon viel mit Beats und programmierten Sounds gearbeitet, und ich wollte noch ein bisschen mehr Spaß damit haben.

Wie sieht Spaß aus, wenn man alleine Musik macht?

Ich habe ein Studio zu Hause, und manchmal tanze ich tatsächlich auf den Tischen. Alleine Musik zu machen ist ein bisschen wie masturbieren. Das Beste am Musikerinnendasein ist dieser Moment der Kreation, dieser Aha-Moment. Ich denke dabei nie darüber nach, was später kommt, ich genieße einfach den Prozess. Am liebsten sitze ich den ganzen Tag zu Hause und programmiere Beats, das macht mich glücklich.

Björk hat in Interviews mehrfach kritisiert, dass ihr die Rolle als Produzentin abgesprochen wird, passiert Ihnen das auch?

Ja. Vor allem beim Keøma-Album kam immer wieder vor, dass die Medien Chris, also den Mann in der Band, als Produzenten, und mich als Sängerin bezeichnet haben, dabei ist es genau andersherum. Sogar beim Label ist das mal passiert. Aber mit anderen Musikern habe ich dieses Problem nie. Am Anfang bin ich immer mal wieder gefragt worden, ob ich mir nicht noch einen richtigen Produzenten suchen will. Aber ich dachte immer, wenn ich es jemand anderen machen lasse, lerne ich es nicht. Ich will selbst produzieren können. Mit Keøma haben sie am Eurovision-Vorentscheid teilgenommen, mit Clueso standen sie auf der großen Bühne.

Soll Ihre eigene Musik da auch hin?

Mir fehlt in Deutschland im Moment ein starkes musikalisches Mittelfeld. In den USA gibt es etwa St. Vincent, die Pop ist, aber nicht in der Größenordnung von Rihanna. In Frankreich gibt es Christine And The Queens, in Österreich gibt es Bilderbuch. In Deutschland haben wir die großen Mainstream-Acts, die im Radio gespielt werden und Festivals headlinen, und wir haben die lokalen Indieszenen, aber nichts dazwischen. Diesen Platz würde ich gerne einnehmen.

Dabei erinnert ihr Albumtitel doch direkt an das Mainstream-„Bad Girl“ Rihanna.

(lacht) Und auf der Vinylversion sind die Buchstaben sogar aus Gold! Ich spiele gerne mit solchen Klischees und mache mich ein bisschen über das deutsche Bedürfnis nach sogenannter Authentizität lustig. Pop wird hier oft vorschnell als künstlich und inauthentisch gesehen, damit kann man ruhig mal spielen.

Den Spaß hört man Kat Frankies neuem Album an. Statt wie zuletzt in melancholische Akustiksongs wirft die Australierin ihre Liebe zu klassischem Songwriting und Pop-Harmonien der Neunziger diesmal in elektronische Beats und Synthesizer. Für nachdenkliche Momente und kluge Gedanken ist zwischen den luftigen Popsongs aber noch jede Menge Platz, und auch ihr Fable für HipHop und Soul ist nicht zu verkennen.

Interview: Britta Helm