Musik

Album der Woche

Imelda May - Life Love Flesh Blood

Decca, 07.04.2017

Neuer Look, neuer Sound: Intensive Introspektive und der Mut loszulassen haben bei Imelda May auch äußerliche Veränderungen angestoßen...

Auf dem Cover von „Life Love Flesh Blood“ zeigen Sie sich sehr verletzlich. Warum haben Sie sich für dieses Foto entschieden?
Es ist nachdenklich und ruhig. Es entspricht mir – anders als viele Fotos, bei denen man sich denkt: Das bin gar nicht ich. Ich wollte einen sehr intimen Moment erzeugen, ein Gefühl, dass es in dieser Situation nur dich und mich gibt. Daher entstand die Aufnahme auch im ganz kleinen Rahmen und ohne künstliches Licht.

Welche Rolle spielt Intimität in Zeiten permanenter Transparenz?
Sie schafft eine kleine, vor allem private Welt, in der man sich öffnen und Vertrauen entwickeln kann, und erzeugt so auch ein Gegengewicht zu den sozialen Medien und dem Tempo unserer Zeit. Ich denke, wir sollten alle mal kurz innehalten und durchatmen, denn die Situation ist beängstigend. Sie hat aber auch eine gute Seite: Die Menschen legen jetzt ihre Karten auf den Tisch. Und auch wenn man sich persönlich dagegen entscheidet, setzt man sich doch bewusster mit den eigenen Wünschen und Zielen auseinander.

Textlich blicken Sie auf diesem Album stark in sich hinein. Was haben Sie dabei über sich gelernt?
Ich hatte das Gefühl, zu lange auf der Stelle getreten zu sein, nicht genug Neues auszuprobieren. Die letzten zwei Jahre waren zum einen sehr schwierig, zum anderen sehr befreiend. Man kann gegen Veränderungen im eigenen Leben ankämpfen, doch manchmal macht das die Dinge nur noch schlimmer. Nun habe ich gelernt, Wandel und Veränderung anzunehmen. Ich stamme aus einer alten Working Class-Gegend in Dublin und wuchs mit dem Gedanken auf, „Sei besser nicht zu clever oder halte dich für etwas Besseres! Sei normal, bleib normal!“ Dieses Gefühl hatte ich lange in mir, und es hat mit meinem Verlangen nach Kreativität gerungen. Jetzt kann ich endlich loslassen.

Das geht Hand in Hand mit einer musikalischen Befreiung: Sie haben sich von Ihrem Rockabilly-Image gelöst und spannen nun weitere Bögen. Welche Rolle spielte Produzent T-Bone Burnett dabei?
Er hat viel Zeit und Energie darauf verwendet, die richtigen Musiker und das perfekte Setup zu finden. Ich habe viel von ihm gelernt, doch die Songs standen bereits, als wir uns das erste Mal trafen. Ich war in dieser Rockabilly-Box gelandet und habe mich irgendwie auch selbst daran festgehalten, um den Erwartungen an mich gerecht zu werden. Das hat mich frustriert und ja, das musste aufhören. So bin ich besser dran.

Fazit: Souveränes Songwriting zwischen Blues und Ballade, viel Raum für Hall und Schmerz in der Produktion: Imelda May ist ein kleiner Klassiker des bald wunden, bald geheilten Herzens gelungen. Der große Bono persönlich hat bei der Songauswahl mitgeholfen, und Stippvisiten von Jeff Beck und Jools Holland veredeln das Album. Rundum großartig!

Friedrich Reip