Musik

Album der Woche

Joep Beving - Prehension

Deutsche Grammophon, 07.04.2017

Joep Beving macht laut eigener Aussage Pop-Musik mit klassischem Instrumentarium. Dass er damit einen solchen Erfolg haben würde, war für ihn alles andere als selbstverständlich.

„Als die Deutsche Grammophon mich angesprochen hat, habe ich erst mal gefragt: Seid ihr euch sicher, dass ihr mit mir arbeiten wollt?? Ich bin ja kein klassischer Komponist. Für mich ist dieses Label die Epiphanie der ernsten Musik und deswegen war es total surreal für mich, dass diese Leute Interesse an meinen Werken haben.“
Sein Album „Solipsism“ hatte der Niederländer in Eigenregie geschrieben, aufgenommen und online veröffentlicht. Fast 60 Millionen Mal wurde sein Erstling gestreamt. Mit einem prestigeträchtigen Partner wie der Deutschen Grammophon steigt jetzt natürlich auch der Druck. „Mit meinem zweiten Album ?Prehension? habe ich viel mehr zu verlieren. Das ist der größte Unterschied zum Vorgänger. Der Schreibprozess hat sich eigentlich nicht verändert, denn ich habe sofort nach meiner ersten Veröffentlichung neue Stücke geschrieben. Ich hatte Angst, dass mir die Musik abhandenkommen könnte und „Solipsism“ nur ein flüchtiger Moment der Inspiration war. Deswegen habe ich sofort weiterkomponiert und daher waren alle Songs schon fast fertig, als ich mit dem Label gesprochen habe. Aber jetzt schauen und hören natürlich viel mehr Leute darauf, was ich mache und deswegen bin ich schon ein bisschen nervös.“
Die Vergleiche mit bekannten Vertretern der Neoklassik wie Ólafur Arnalds oder Nils Frahm liegen auf der Hand. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass Beving sich allein auf das Klavier verlässt und im Gegensatz zu seinen Kollegen gänzlich auf elektronische Elemente verzichtet. Das war aber nicht immer so und könnte sich in Zukunft durchaus wieder ändern. Vor „Solipsism“ versuchte Beving sich an zwei Elektro-Projekten, die er dann aber an den Nagel hängte. Das Klavier war sozusagen seine letzte Option. „Mittlerweile denke ich natürlich darüber nach, nochmal was in diese Richtung zu machen. Das wird aber ganz anders werden, weil mir jetzt meine kompositorische Sprache viel wichtiger ist als die Suche nach einem großartigen Sound. Vielleicht lasse ich das Klavier sogar weg. Ich denke, mittlerweile ist meine musikalische Handschrift so weit ausgereift, dass ich sie auch auf andere Instrumente übertragen könnte.“ Songtexte kommen für Beving aber nicht in Frage. Er gibt seinen Hörern gerne einen Rahmen vor, möchte die Interpretation seiner Musik aber jedem selbst überlassen, und macht seine Musik so zu etwas Universellem, das Menschen verschiedener Kulturen verbindet.

Fazit: Ruhe ist in der heutigen Welt ein sehr hohes Gut. Joep Beving zwingt mit „Prehension“ regelrecht zum Innehalten. Egal ob düster, leichtfüßig oder nachdenklich. Eins haben die fünfzehn melancholischen Klavierstücke alle gemeinsam: sie berühren, ohne sich aufzudrängen. Perfekt, um die Hektik des Alltags mal für eine Stunde auf stumm zu schalten.

Foto: Rahi Rezvani

Katharina Raskob