Literatur

30.05. | Buchtipps der Woche

Svenja Leiber • Genki Kawamura • Florian Wacker

Svenja Leiber • Staub

Suhrkamp Insel • 12. März

LeiberEr lebt weiter. Sein Sterben aber hat längst begonnen. Wenn er Kinder auf der Straße sieht, wendet er den Blick ab. Er war selbst Kind, als ein anderes Kind starb – sein Bruder. Seither ist er auf der Flucht. Ein Getriebener. „Am Liebesgepäck kaputtgegangen“, damals im saudischen Wohnzimmer. Nach 30 Jahren kehrt der Ich-Erzähler in eine Gegend zurück, „von der ich mir geschworen hatte, sie nicht mehr zu betreten“. Wieder der Nahe Osten. Wieder ein kranker Junge. Jonas Blaum ist inzwischen Arzt. Wie zum Beweis, dass der Tod nicht die letzte Antwort haben soll: „Nichts darf verstummen“. Doch hat er nicht längt sich selbst aufgegeben? Es gibt keine Aufwärmphase. Svenja Leiber schreibt mit einer literarischen Wucht, die sie dem Leser radikal zumutet. Von der ersten Seite an. Die 1975 geborene Schriftstellerin zeigt, wie eindringlich Sprache sein kann. Sein muss. Kein Herauskuskommen aus der Erzählung. Die Bedrängnis des Protagonisten ist auch die unsere. Das Leben: immer auch ein Dasein zum Tode.

Sylvie-Sophie Schindler


Genki Kawamura • Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden

C. Bertelsmann • 23. April

KawamuraEin junger Postbote lebt mit undefinierbaren Kopfschmerzen – bis er erfährt: er hat einen Hirntumor. Überbringer dieser Nachricht ist niemand Geringeres als der Tod, in Gestalt des Postboten, nur seltsam bunt gekleidet. Zunächst bestürzt, finden die beiden ein Abkommen: Für jeden Tag mehr, den sich der Postbote erschleicht, muss ein Item von der Welt verschwinden – welches, das entscheidet der Teufel. Am ersten Tag sind es die Telefone, am zweiten alle Filme, am dritten die Uhren. Schon das: Große Verluste. Doch als der Tod an Tag vier die Katzen verschwinden lassen möchte, gebietet der Briefträger Einhalt. Im Stile einer klassischen Fabel entwickelt der junge Filmproduzent Genki Kawamura in seinem Debüt-Roman eine Parabel auf die Frage, was ein Leben lebenswert macht. Und dass Katzen zwingenderweise dazu gehören, belegt sich schon in der Zuneigung, die der Postbote für seinen eigenen Kater empfindet. In Japan bereits ein erfolgreich verfilmter Bestseller, erobert das Buch nun auch Europa.

Sascha Krüger


Stromland • Florian Wacker

Berlin Verlag • 01. März

Wacker „Blickst du zu lange in einen Abgrund, blickt der Abgrund auch in dich hinein“, heißt es bei Nietzsche. Dieser enigmatische Aphorismus könnte das Hintergrundrauschen für Florian Wackers Abenteuerroman „Stromland“ sein, dessen Protagonisten Irina und Hilmar sukzessive von der Lebenswelt des peruanischen Dschungels eingesogen werden und Gefahr laufen, sich darin zu verlieren. Denn Irina ist mit ihrem Freund Hilmar auf der Suche nach ihrem verschollenen Zwillingsbruder Thomas, der als Kameraassistent nach den Dreharbeiten zu Werner Herzogs „Fitzcarraldo“ das Land erkunden will und nahe der Stadt Iquitos am Amazons in den Regenwald abtaucht. Doch je länger das abenteuerliche Unterfangen andauert, desto mehr wird die Suche nach dem geliebten Bruder eine Suche nach sich selbst. Florian Wacker gelingt es meisterlich, eine vielschichtige, wie packende Erzählung in eine unwirkliche Geographie zu verorten, die ähnlich wie der Dschungel, den Leser in seinen Bann zieht. Fesselnd bis zur letzten Seite.

Björn Eenboom


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