Musik

22.06. | Album der Woche

Courtney Barnett • Tell me how you really feel

Foto: Pooneh Ghana

COURTNEY BARNETT

Tell Me How You Really Feel Marathon/Rough Trade • 18. Mai

CourtneyBranettOb Courtney Barnett sich schon mal mit Selbsthilfe-Ratgebern beschäftigt hat? Sie lacht. „Sollte ich?“ Immerhin heißt einer der Songs ihres neuen Albums „Help Your Self“, und die Australierin hat ihn zwischen lässigen Cowgirl-Gitarren und krachiger Verzerrung nicht nur mit den, ihr typischen eigenwilligen Reimen gespickt – „You found inner peace/ In the Inner North East“ – sondern singt darin auch über die mehr oder weniger hilfreichen Tipps, mit denen man sich als selbstzweifelnder Mensch so durchs Leben schlägt. Sie kennt sich gut genug aus, um zu wissen, dass sich diese Zweifel nicht einfach abschalten lassen. Schon mit ihrem ersten Album „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“ spendierte sie ihren Songs lieber hinnehmenden Indierock voller lauter Gitarren, unwiderstehlicher Melodien und cleverer Wortspiele, die sie mit einem Understatement sang, dass man glaubte, sie würde ihr ganzes Leben in einem unordentlichen WG-Zimmer mit einer Hand in der Chipstüte und der anderen an den Saiten verbringen. Dabei geht es in Barnetts Leben äußerst ordentlich und produktiv zu; gegen die Zweifel anzuarbeiten ist schließlich harte Arbeit. „Ich muss immer erst sehr viel Schlechtes schreiben, bevor ich beim Guten lande“, sagt sie. In einem Albumtrailer zu „Tell Me How You Really Feel“ ist zu sehen, wie sie das macht: Sie stromert durch eine Halle voller Instrumente, hebt mal hier eine Akustikgitarre auf, stellt sich mal dort vor ein paar Trommeln und singt dazu. „Ziemlich genau so war es“, sagt sie. „Es hilft mir, beim Schreiben von Songs verschiedene Instrumente auszuprobieren, um auf neue Ideen zu kommen.“ Die Lagerhalle, in der sie das macht, ist zur einen Hälfte Studio und zur anderen Sitz ihres eigenen Labels Milk Records, sie hat parallel zur Arbeit an ihrem eigenen zweiten Album erst im Herbst ein gemeinsames mit Kurt Vile veröffentlicht und ganz nebenbei spielt sie in der Tourband ihrer Frau Jen Cloher noch Gitarre. Diese Umtriebigkeit hat ihren eigenen Songs geholfen, sagt sie. „Sie sind dynamischer geworden. Es gibt einige sehr düstere Momente und sehr böse Gitarren, aber auch Leichteres.“ Tatsächlich wechselt sich wütender Grunge mit sanftem Pop ab, und wenn ausgerechnet einer der mitreißendsten Hits „Crippling Self Doubt And A General Lack Of Self Confidence“ heißt, ist klar: Courtney Barnett ist nicht nur Meisterin der Selbstzweifel, sondern verfügt auch über Selbstironie als bestes Gegenmittel.

Britta Helm