DVD & Blu-ray

1992: Die Zukunft

Polyband / WVG · 27. Mai

Wer braucht schon Fiktion, wenn die Realität alles übertrifft? Oder anders ausgedrückt: Wer braucht schon „House of Cards“, wenn er in Italien lebt? In dessen jüngster Geschichte findet sich ein gigantischer Haufen politischer Ränkespiele, von denen die Underwoods der TV-Welt nur träumen können. Außerdem haben sie Kreative in Italien, die sich gegen die vom Berlusconi-Clan vorangetriebene mediale Verdummung stellen und tatkräftig zur politischen Aufklärung beizutragen wollen. Womöglich kann nur in einem so brodelnden Umfeld aus Reflexion, Wut und Widerstand etwas Großartiges wie „1992 – Die Zukunft“ herauskommen. In den zehn knapp einstündigen Episoden wird nicht etwa der Aufstieg Silvio Berlusconis vom Mogul zum Ministerpräsidenten erzählt, sondern die als Tangentopoli in die Geschichte eingegangene Mailänder Schmiergeld-Affäre, die schlicht und ergreifend zum Zusammenbruch der gesamten Regierung und zur Verhaftung einer Vielzahl von Politikern geführt hat. Tangentopoli hat Berlusconi erst möglich gemacht. Um das zu verstehen, im In- und Ausland, wird das Jahr 1992 aus sechs verschiedenen Perspektiven erzählt: Veronica (Miriam Leone), ein Showgirl, das in die Primetime will und alles dafür tun würde; Bibi (Tea Falco), das schwarze Schaf einer schwerreichen Industriellenfamilie; die beiden Polizisten Luca (Domenico Diele) und Rocco (Alessandro Roja); der Golf-Krieg-Veteran und Lega-Nord-Kandidat Pietro (Guido Caprino) und Leonardo Notte (Stefano Accorsi), dessen Marketing-Tricks dafür sorgen, dass er jede politische Wende unbeschadet übersteht. Zumindest ist das sein Plan. Der Plan aller Beteiligten vor und hinter der Kamera ist es, für knapp 600 Minuten niemanden vor dem Bildschirm zu langweilen. Ein Plan, der ganz glatt aufgeht.

Edda Bauer