Literatur

09.05. | Buch der Woche

Richard Reed • Was im Leben wichtig ist

Über 60 Menschen, über 60 Ratschläge: Richard Reed fragte nach dem, was wirklich zählt. Ein ambitioniertes Mutmacher-Buch, das gute Laune schenkt.

Nein, Mama, ich weiß nicht, dass ich Schal und Mütze anziehen soll, wenn es draußen minus dreizehn Grad hat. Ich bin erst 37 Jahre alt. Ratschläge von Eltern, kein Geheimnis, sind so lala. Deswegen müssen andere Menschen her, die uns sagen, wie wir es im Leben richtig machen können. Hat jemand mal die Ratgeberbücher gezählt, die es auf dem Markt gibt? Irgendwo ist immer irgendwer, der es besser weiß. Unter anderem gibt es einen „Kleinen Prinzen“, der uns durch Antoine de Saint-Exupéry mitteilt, worauf es ankommt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Zur Gruppe der Fortgeschrittenen gehören freilich die Paulo-Coelho-Leser, nahezu schwimmend in Weisheits-Ergüssen. Andererseits, wenn man nie zuhört, welche Erfahrungen andere gemacht haben, wird man, wie schon als Kind, dann eben selbst das Bügeleisen anfassen müssen, um zu spüren, dass es heiß ist. Der britische Smoothie-Hersteller Richard Reed, der übrigens die allerbesten Erfahrungen mit den Ratschlägen seiner Mutter gemacht hat, sagt: „Ein guter Rat ist wie eine nahrhafte Brühe, für die man die Knochen des Lebens auskocht.“ Deshalb will er eine „gemeinsame Quelle der Weisheit“ schaffen, eine „globale Sammlung von Ratschlägen“. Und hat mit seinem über 400-Seiten-Buch „Was im Leben wichtig ist“ schon mal vorgelegt. Seit zehn Jahren hat er es sich angewöhnt, Menschen, die außergewöhnlich sind, um ihre persönliche Lebensweisheit zu bitten. „Das scheint mir deutlich sinnvoller, als um ein Selfie zu bitten“, befindet Reed. Sogar auf der Herrentoilette hat er es schon gewagt, nach „dem besten Rat“ zu fragen. Er traf sich zum Frühstück mit Bill Gates, im Knast mit Alexander McLean und auf einen Schwips mit Judi Dench. Zudem begegnete er dem Dalai Lama. Der spirituelle Führer machte keine großen Worte, sondern fasste das, worauf es im Leben ankommt, so zusammen: „Einssein“. Weise genug. Doch Reed schreibt, er habe auf ein „etwas ausführlicheres Statement“ gehofft. Und tatsächlich, man muss nur warten können, der Dalai Lama erklärt dann doch noch, worum es ihm geht. Auch Bestsellerautor Stephen Fry macht es kurz: „Reiß dir den Arsch auf.“ Allerdings ohne weitere Erläuterungen. Gleichzeitig ist sein Ratschlag, auf „jedwede Lebensberatung zu verzichten“. Gerade Coaches seien Quacksalber, „sehr begabt darin, das so Offensichtliche zu benennen, bis einem das Blut aus der Nase läuft“. Leider trifft diese Kritik teilweise auch Reeds Sammlung. Vieles, was er zusammengetragen hat, hat man so oder ähnlich schon gehört. Wie „die Fähigkeit zu staunen“, „an sich zu glauben“ und „einfach weiterzumachen“. In seiner Dichte kann einem das „Yes-We-Can“- Gejohle dann mitunter auf die Nerven gehen. Die andere Seite ist, dass, um es mit Reeds Worten zu sagen, die gute Seite der menschlichen Natur zum Ausdruck kommt. Denn wer einen Rat gibt, der will anderen helfen. Ein Mutmacher-Buch ist es allemal. Kurzweilig die Porträts, die Reed dazu stellt. Mit überraschenden Einblicken. In Bill Clintons Kosmos beispielsweise schaffen es nur wenige.

Sylvie-Sophie Schindler


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