Tasso e.V.

September 2016 / Seite 3 von 3

Hundeführerschein und Katzenkastration

Die Ursache, dass Hunde überhaupt im Tierheim landen, sieht Ruckelshaus in erster Linie bei ihren früheren, unkundigen Haltern. Hier setzt die Forderung nach einem „Responsible Ownership“ an: Haustierhalter müssen Verantwortlichkeit lernen. Wichtig wäre hierfür ein Sachkunde-Nachweis, quasi ein Hundeführerschein, sowie eine Praxisprüfung nach einem Jahr. Eine verpflichtende Kennzeichnung, Registrierung und Haftpflichtversicherung für jeden Hund würde auch die Rasselisten überflüssig machen. Davon ist Ruckelshaus überzeugt.

Der Ursachenbekämpfung widmet sich Tasso unter anderem durch die Kampagne gegen sogenannte Wühltischwelpen. Massenhaft in Osteuropa gezüchtet und viel zu früh von der Mutter getrennt, werden junge Hunde zu Billigpreisen im Internet angeboten. Die Anbieter verabreden sich mit den Käufern auf Autobahnraststätten oder Supermarktparkplätzen, einige liefern frei Haus. Aus welchen Zuchtverhältnissen die Welpen stammen, bleibt ebenso im Dunkeln wie ihr Gesundheitszustand. Oft leiden die Tiere an Erkrankungen wie Parvovirose oder Staupe und entwickeln Verhaltensstörungen – dann wird das vermeintliche Schnäppchen teuer. Es sind oft genau diese Hunde, die von ihren Haltern wieder ausgesetzt werden, im Tierheim landen und dort auf Staatskosten leben.

Der karitative Tierschutz, den Tierheime leisten – Aufnahme, Unterbringung, Pflege und Vermittlung – kommt für Mike Ruckelshaus einem unterfinanzierten Reparaturbetrieb gleich. „Nur über die politische Ebene kann man langfristig etwas für Heimtiere, Nutztiere und Wildtiere erreichen. Was dürfen wir mit Tieren machen, was nicht? Die Form unseres Umgangs mit Tieren muss sich am Staatsziel Tierschutz orientieren, das im Grundgesetz verankert ist.“ Im Namen von Tasso schreibt er deshalb Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen oder Leitfäden, etwa zur Kontrolle von Welpentransporten, berät Kommunen beim Erlass von Verordnungen, hält Vorträge und spricht hinter den Kulissen mit Ministern oder Abgeordneten.

„Man geht jeden Tag hier raus und sagt: Super, mein Karmakonto ist heute wieder ins Unermessliche gestiegen.“
Karin Wloka

Zu den brennenden aktuellen Problemen von politischer Dimension zählen die rund zwei Millionen Streunerkatzen in Deutschland – ausgesetzte, verwilderte Tiere und deren Nachwuchs. Aus einem Pärchen können nach nur drei Jahren Vermehrung einige tausend Katzen hervorgehen. Unkastrierte Hauskatzen mit Freigang, die sich mit Streunern paaren, verschärfen das Problem. Um es in den Griff zu bekommen, hat Tasso 2011 gemeinsam mit dem Bund gegen Missbrauch der Tiere und Vier Pfoten das Bündnis Pro Katze gegründet, das sich um die Kastration von Katzen kümmert. Was aus Sicht der Tierschützer hier fehlt, ist eine praktikable Gesetzgebung. „Wir fordern eine bundesweit einheitliche Regelung zur Kennzeichnung, Registrierung und Kastration von Hauskatzen mit Freigang“, erklärt Ruckelshaus. 150.000 Unterschriften wurden dem Bundeslandwirtschaftsministerium im Zug der Tierschutzgesetznovellierung von 2013 übergeben. Trotzdem fehlt eine solche Regelung bis heute. Der Grund: Mit dem umstrittenen Paragraph 13b im neuen Tierschutzgesetz stellt es der Bund den Ländern frei, ob sie ihren Kommunen den Erlass einer Katzenschutzverordnung ermöglichen oder nicht. Bisher tut das lediglich die Hälfte aller Bundesländer, und nur rund 350 Gemeinden haben eine solche Verordnung erlassen, weniger als ein Prozent aller deutschen Kommunen. Die Tendenz ist trotzdem positiv. Die wichtigsten Adressaten sind für das Thema sensibilisiert. Mittlerweile steht es, nicht zuletzt wegen der Initiative von Tasso, auch bei immer mehr Kommunen auf der Tagesordnung.

Der Transponder

Neun von zehn Hunden oder Katzen sind nicht mehr tätowiert, sondern gechippt. Dazu wird dem Tier mit Hilfe einer Kanüle ein reiskorngroßer Transponder aus speziellem Bioquarzglas unter die Haut implantiert. Ein entsprechendes Ablesegerät gehört heute in jedem Tierheim und in jeder Tierarztpraxis zur Standardausstattung. Hat das Gerät den Chip gefunden, wird im Display die Registriernummer angezeigt. Zwei Irrtümer über die Transponder sind weit verbreitet: Zum einen geben sie keine elektrische Strahlung ab – der Chip bleibt völlig inaktiv, bis er durch das Lesegerät per Magnetfeld aktiviert wird. Zum anderen ist per Transponder keine Ortung des Tieres möglich. Daran wird sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern. Selbst handelsübliche, strombetriebene GPS-Halsbänder stoßen an ihre Grenzen, wenn sich die Katze in einem Keller ohne Empfang versteckt oder die Akkuleistung nachlässt.

Auf der Seite der Opfer

Obwohl es noch am politischen Willen fehlt, rechnet Mike Ruckelshaus mittelfristig mit einer erneuten Novelle des Tierschutzgesetzes. Zu dringend ist der Handlungsbedarf in anderen Bereichen, wie etwa der Milchkuhhaltung. Für sie gilt mangels gesetzlicher Regelung (wie auch für einige andere Nutztierarten) Paragraf 2 des Tierschutzgesetzes: Demnach sind sie artgerecht zu halten, zu ernähren und unterzubringen. Doch an der Frage, was unter einer artgerechten Haltung zu verstehen ist, scheiden sich die Geister.

Auf der Weide legen Kühe täglich bis zu zehn Kilometer zurück. 25 Prozent der Milchkühe in Deutschland, die ausschließlich im Stall gehalten werden, können das nicht. Bei Schweinen, Schafen oder Gänsen sieht es nicht besser aus. Schwänze und Schnäbel werden gekürzt, es fehlt an Licht und an Platz, von unhaltbaren Praktiken wie dem Kükenschreddern, Schlachttiertransporten oder der Massentierhaltung im Allgemeinen ganz zu schweigen. Da es an geeigneten Kontrollen mangelt, sind Gesetzesverstöße an der Tagesordnung. Das schlimmste Beispiel: die hohe Quote von Fehlbetäubungsraten auf den Schlachthöfen. Jedes Jahr landen ungefähr 600.000 Schweine und 200.000 Rinder bei vollem Bewusstsein im Brühkessel. Seit Jahrzehnten müssen sich Tiere den Haltungssystemen anpassen – ein Zustand, der aus Sicht von Tasso dringend umgekehrt werden müsste.

Der Verein ist dabei nur eine von vielen Nichtregierungsorganisationen, die strengere Kontrollrichtlinien fordern, zum Beispiel auch bei schwerstbelastenden Tierversuchen. Doch immer wieder, wie auch bei der Novelle des Tierschutzgesetzes, setzen sich lobbystarke Gruppen wie der Bundesverband der forschenden pharmazeutischen Industrie oder die Landwirtschaftsverbände durch. Selbst einflussreichste Tierschutzjuristen stoßen mit ihren Gesetzesentwürfen an Grenzen, wenn politischer Wille und Interessen der Tiernutzerlobby dagegen stehen. So bleiben Tierversuche, auch an Primaten, weiterhin erlaubt. Immerhin konnte Tasso sich für die die Einrichtung von Stiftungsprofessuren einsetzen, die an Alternativen zum Tierversuch forschen. Ein schwacher Trost.

„Es ist ein Kampf gegen Windmühlen“, resümiert Mike Ruckelshaus. „Wir feiern es als großen Erfolg, wenn wir etwas erreicht haben, und ein paar Jahre später kommt eine neue Regierung und wischt es mit einem Fingerstrich wieder vom Tisch.“ So konnte in Hessen ein Verbot von Schliefanlagen erreicht werden, künstlichen Tunnelsystemen, in denen Füchse lebende Köder für Jagdhunde spielen und dabei enormen Stress erleiden. Fünf Jahre später kam eine neue Regierung und hob das Verbot auf. Für hessische Füchse und Waschbären engagierte sich Tasso in Hinsicht auf eine gesetzliche Schonzeit während der Jungenaufzucht, machte sich damit aber viele Feinde in Jägerkreisen. Eine Klage der FDP läuft bereits.

Trotzdem macht Ruckelshaus weiter, beschäftigt sich mit qualvollen Bildern, grausamen Affenversuchen und Tiertransporten. Warum? „In den meisten Fällen sind Tiere Opfer von Menschen“ erklärt er seine Motivation. „Und ich stehe immer auf der Seite der Opfer.“

Auch Öffentlichkeitsreferentin Laura Simon hat sich in vollem Bewusstsein für eine Tätigkeit bei Tasso entschieden. Sie arbeitete früher in einer PRund Marketingagentur, suchte aber nach etwas anderem und sinnvollerem, wollte „das Gute tun“. „Etwas dazu beizutragen, dass es der Tierwelt besser geht, das ist ein tolles Gefühl.“ Karin Wloka sieht es genauso: „Man geht jeden Tag hier raus und sagt: Super, mein Karmakonto ist heute wieder ins Unermessliche gestiegen.“

Für die ausgebüxte Zora endet der Tag ebenfalls mit einem Happy End. Frauchen Stefanie Kohn ist in der Zentrale angekommen und schließt den kleinen Ausreißer in die Arme. Mensch und Tier wurde erneut erfolgreich geholfen.

Zur Person

Der gebürtige Schwede Philip McCreight kam 1972 als Fünfjähriger mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Kunstpädagogik, Biologie und Psychologie in Frankfurt und begleitet den Verein seit dem Gründungsjahr 1982. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Mike Ruckelshaus engagiert sich seit über 30 Jahren im Tierschutz, früher als parlamentarischer Referent im hessischen Landtag für die tierschutzpolitische Sprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen, danach als Leiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundes gegen den Missbrauch der Tiere in der Landesgeschäftsstelle Hessen. Seit Ruckelshaus den Bereich Tierschutz bei Tasso 2011 Jahren übernommen hat, ist die Abteilung langsam, aber stetig gewachsen. Heute unterstützen ihn vier Kolleginnen.

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