Tasso e.V.

September 2016 / Seite 2 von 3

Der Elefant im System

Obwohl sie den größten Teil der erfassten Tiere ausmachen, sind Hunden und Katzen bei weitem nicht die einzigen Tierarten in der Datenbank. Die drittgrößte, aber im Vergleich verschwindend kleine Gruppe bilden Frettchen. Bei der Rückvermittlung spielen sie keine Rolle, weil sie von Laien kaum als Haustier zu erkennen sind, sondern eher für Marder oder Iltisse gehalten werden. Weitere Kategorien bilden Nager- und Hasenartige (Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster, Chinchillas), Vögel (wie Papageien und Sittiche), verschiedenste Reptilien (Schildkröten, Geckos, Schlangen) und viele weitere, von der Vogelspinne bis zum Skunk. Auch Pferde, Esel, Lamas, Alpakas und einige Wildtiere sind aufgeführt – nicht weil sie entlaufen und verloren gehen könnten, sondern weil für diese Tierarten eine Meldepflicht besteht und ein Tasso-Eintrag vielerorts zur Melderoutine gehört. Auf diese Weise fand sogar schon eine ganze Elefantenherde Einzug in die Akten.

Als voll spendenfinanzierter Verein erhebt Tasso keine Mitgliedsbeiträge. Alle Leistungen finanziert er aus Spenden. „Die Ersparnis für die Tierheime und Tierschutzvereine liegt allerdings weit, weit über unserem Budget“, führt McCreight aus. „Nach unserer moderaten Rechnung sparen die Gemeinden in Deutschland jährlich mindestens 15 Millionen Euro durch unsere Rückvermittlung der Tiere.“

Deutschland ist eines von nur vier Ländern in der EU ohne Registrierungspflicht für Hunde und Katzen. McCreight sieht andere Länder, zum Beispiel Frankreich, besser aufgestellt. Dort ist die Registrierung jedoch eine ordnungspolitische Maßnahme, die Rückvermittlung spielt nur eine untergeordnete Rolle. Staatlich betriebene Datenbanken bieten die Möglichkeit, neben Halter- und Tierdaten auch weitere Informationen zu Impfungen oder Verhaltensauffälligkeiten von Hunden zu hinterlegen. So geschieht es auch in Niedersachsen, das in einem eigenen Hunderegister unter anderem Hundebisse dokumentiert. Für Tasso wären solche Daten völlig irrelevant: „Wir halten uns an das Prinzip der Datensparsamkeit und erfassen nur Halter- und Tierdaten“, stellt Philip McCreight klar. „Sinn und Zweck ist das Rückvermitteln von Tieren.“ Registrierungsorganisationen mit diesem karitativen Anspruch sind in Europa die Ausnahme.

„Kein Tier wird schneller gefunden, weil es eine Belohnung gibt.“
Philip McCreight

Ursprünglich war das Thema Tierdiebstahl Anlass für die Gründung von Tasso. Wurde einem Hundefänger in den frühen Achtzigerjahren das Handwerk gelegt, gab es für die sichergestellten Tiere keine zuständige zentrale Anlaufstelle. Die Halter zu ermitteln, erwies sich oft als unlösbare Aufgabe. Inzwischen herrschen andere Gesetze, und Tierdiebstahl ist kein großes Thema mehr. Nur in seltenen Fällen werden wertvolle Mode-Rassen zu Diebesgut, manchmal gibt es sogar Entführungen mit Lösegelderpressung. Tasso rät deshalb davon ab, Belohnungen auszusetzen, wenn Hund oder Katze verschwinden. „Kein Tier wird schneller gefunden, weil es eine Belohnung gibt“, erklärt Philip McCreight, „das animiert eher Kriminelle dazu, die Großzügigkeit auszunutzen und eine höhere Belohnung zu verlangen.“

Häufiger werden zugelaufene Katzen oder aufgefundene Hunde einfach behalten, ohne dass nach den rechtmäßigen Besitzern gesucht wird. Manchmal fällt nach einiger Zeit auf, dass ein Tier bereits auf einen anderen Halter gemeldet ist. Der Haltervermerk in der Datenbank ist zwar kein Besitznachweis wie ein Kaufvertrag oder ein Impfpass, aber ein starker Indikator.

Tasso – Der Name

Der Name TASSO steht für „Tier-Auskunfts-Suchdienst- System-Orientiert“. Das Akronym stammt noch aus dem Gründungsjahr 1982, als die ersten Datenbanken aufkamen und die IT-Sprache noch ebenso sperrig war wie die ersten PCs. Obwohl „Tasso“ (italienisch für Dachs) gut zum Tierschutz passt und sich mittlerweile als Eigenname etabliert hat, denkt man derzeit über ein zeitgemäßeres Akronym nach.

Training für ein besseres Leben

Mit dem direkten Kontakt zu den Tierhaltern verfügt Tasso als Tierschutzverein über ein starkes Alleinstellungsmerkmal. Die 5,5 Millionen Tierhalter in der Datenbank bilden ein zwar sehr heterogenes, aber weitgehend tierschutzaffines Publikum, an das sich der Verein über Publikationen, Newsletter, soziale Medien oder gezielte Unterschriftenaktionen und Petitionen wendet. Dabei bezieht Tasso klar Stellung, stößt aber keine Diskussionen um Reizthemen wie Impfungen, Tierernährung oder gar Veganismus an. Als besonders medienwirksam erwies sich die in Gemeinschaft mit der Hunde- Akademie Perdita Lübbe gestartete Aktion „Rettet das Nashorn“, die eine Anti-Wilderer-Einheit in Südafrika mit Geld und Ausrüstung unterstützt. 2013 konnte Tasso den Aktivisten einen schlagkräftigen Kollegen vermitteln: den ursprünglich für die Polizei vorgesehenen Malinois Shaya, der daraufhin im Aufspüren von Waffen und Nashornhorn ausgebildet wurde. Mit beachtlichem Erfolg. Shaya hat seither bereits mehrere Wilderer gemeinsam mit den Aktivisten dingfest machen können.

Tierschutzpolitischer Sprecher des Vereins ist Mike Ruckelshaus. Wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen bringt auch er täglich seinen Hund mit zur Arbeit. Die ausgesetzte Boxer-Dogge Sam aus dem Tierheim ist gesundheitlich extrem anfällig. Ruckelshaus hat den Hund aufgepäppelt, Tage und Nächte an seiner Seite gewacht. Etwa 6.000 Euro musste er in den letzten fünf Jahren für Medikamente und Tierarztrechnungen aufbringen. „Es gehört zur Tierliebe, einen gewissen Leidensdruck ertragen zu können“, räumt er ein, weiß aber auch: „Für so eine Organisation zu arbeiten, ist etwas Schönes. Wer kann schon seinen Hund mit zur Arbeit nehmen? Wäre das mehr Arbeitnehmern erlaubt, würden sicher häufiger Hunde aus Tierheimen adoptiert.“ Das Thema Tierheimhunde beschäftigt ihn seit langem. Die Zwinger sind überfüllt, die Lage vieler Tiere prekär. Besonders wenig Hoffnung besteht für die herrenlosen sogenannten Kampfhunde, die auf den Rasselisten der Bundesländer stehen. Wer einen solchen Hund aus dem Tierheim bei sich aufnimmt, muss – obwohl er damit den Staat entlastet – je nach Wohnort mit mehreren hundert Euro Kampfhundesteuer und strengen Auflagen rechnen. Damit sinkt radikal die Wahrscheinlichkeit einer Adoption. Für Mike Ruckelshaus nicht der einzige Grund, Stellung gegen Rasselisten zu beziehen. Denn: Auf ihnen stehen zwar zum Beispiel der Pitbull oder der Staffordshire- Terrier, nicht aber die Rassen, deren Vertreter am häufigsten zubeißen: Schäferhunde und Schäferhundmischlinge.

Hat ein Tierheimhund einmal gebissen, ist seine Chance auf eine Vermittlung gleich null. Über 5.000 so gebrandmarkte „Aggressionshunde“ sitzen in deutschen Tierheimen fest. Damit wenigstens einige von ihnen den Zwinger lebend verlassen können, initiierte Tasso das Resozialisierungsprojekt „Start ins neue Leben“, wie „Rettet das Nashorn“ ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Hunde-Akademie Perdita Lübbe. Die Tiere erhalten eine Art Anti-Aggressionstraining, Tierpfleger werden für den Umgang mit aggressiven Hunden fortgebildet. Langfristiges Ziel ist ein bundesweites Netzwerk aus Tasso-zertifizierten Hundetrainern, die ehrenamtlich mit den Tierheimhunden arbeiten. Um die Zahl der Adoptionen sämtlicher Tiere aus Heimen zu erhöhen, hat Tasso außerdem das Online-Tierheim shelta.net ins Leben gerufen. Hier werden Bilder und Beschreibungen von herrenlosen Hunden, Katzen und vielen weiteren Gattungen eingestellt. Wer ein Tier sucht, kann seinen Wohnort und das gewünschte Tierprofil eingeben und bekommt Vorschläge aus der eigenen Region.

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