Sonny Rollins
„Selbstgefälligkeit ist der kreative Tod.“
Zur Person
Sonny Rollins, geboren am 07.09.1930, wuchs im New Yorker Stadtteil Harlem auf und gilt als einer der wichtigsten Saxofonisten des Jazz und Miterfinder des Hardbop, einer improvisatorischen, kantigeren Variante des Bebop. Er begann als Pianist, wechselte aber bald zum Tenorsaxofon; bereits 1949 nahm er seine erste Schallplatte auf. Bis Mitte der 50er spielte er zusammen mit allen Größen des Jazz, am Häufigsten mit Miles Davis und seinem Mentor Thelonious Monk. Nach dem typischen Weg des Jazzers in den 50ern – Heroinsucht, Abstürze, Neufindung – erschien 1956 auf dem Höhepunkt seiner Sucht mit „Saxophone Colossus“ eine seiner bedeutendsten Aufnahmen. Erst Ende der 50er gab er Alkohol, Drogen und das Rauchen auf, zog sich lange Zeit zurück und reüssierte, nachdem er mehrere Jahre ausschließlich auf der New Yorker Williamsburg Bridge Sax gespielt hatte, mit dem Werk „The Bridge“. Seitdem spielt Rollins unermüdlich weiter und gehört mittlerweile zu den Legenden des Modern Jazz; 2004 erhielt er einen Grammy für sein Lebenswerk.
21.04.2009, Bilbao. Sonny Rollins empfängt in Jogger und Pantoffeln an der Tür seiner Hotelsuite: Das störrische weiße Haar wild abstehend, der Blick leicht entrückt, schlurft er mit winzigen Schritten zurück in seinen Sessel, um sich sofort wieder den Notenblättern zu widmen, an denen er gerade arbeitet. Nach ein paar Minuten schaut er auf und sagt: „Ach, Sie sind fertig? Dann sagen Sie doch einen Ton.“ Er legt die Noten beiseite, lehnt sich zurück und beginnt mit stoischer Ruhe und sorgsam gewählten Worten in sattem Bariton zu sprechen.
Mr. Rollins, Sie sind 79 Jahre alt – warum tun Sie sich den Stress regelmäßiger Tourneen um die Welt noch an?
Sonny Rollins: Dafür gibt es eine einfache Begründung: Ich gehöre zu einer aussterbenden Gattung, denn ich bin der letzte der ersten Garde des Jazz, und ich bin mir dieser Verantwortung bewusst. Damals, als Miles und Charlie und Thelonious und Lionel und all die anderen noch da waren, haben wir uns eines geschworen: Wer auch immer am längsten lebt und noch die Kraft hat, unsere Ideale und Ideen an junge Generationen weiter zu tragen, wird das tun, solange er kann. Ich kann noch, alle anderen ehemaligen Wegbegleiter haben wir mittlerweile verloren. Also tue ich schlicht das, was ich damals versprochen habe. Zumal ich fortwährend das Gefühl habe, dass die Jungs noch um mich herum sind. Ihr Geist ist bei mir, ich bin nicht allein.
Was ist das für ein Geist?
Ein sehr besonderer: Es ist der Geist der Besessenen, die nicht anders können, als zu spielen und sich weiter zu entwickeln. So viele Musiker haben mir diese Form des Zwangs zur Weiterentwicklung vorgelebt. Ich bin mit diesem Eindruck aufgewachsen: Willst du die besondere Ebene erreichen, musst du spielen, spielen, spielen.