Per Gessle
„Im Umgang mit Musik geht das Interesse daran verloren, was da eigentlich gerade läuft.“
Zur Person
Per Gessle, geboren 1959 im schwedischen Halmstad, gründete noch als Teenager die Wave-Punk-Band Grape Rock, die zwar laut, aber erfolglos war. Besser erging es ihm mit der Band Gyllene Tider, deren oft ironische Poprock-Stücke in Schweden sehr beliebt waren. Zusammen mit der Sängerin Marie Fredriksson, die Gessle per Zufall in einem Musikstudio traf, gründete er 1986 das Duo Roxette. Der Erfolg blieb anfangs auf Schweden begrenzt, mit der Single „The Look“ gelang der Band 1989 ihr erster Welterfolg. Roxette landeten in den USA vier Nummer-Eins-Hits, 19 ihrer Singles kamen in die britischen Top-40. Gessle, der auch ein Hotel betreibt, nimmt unter eigenem Namen Platten auf Schwedisch und Englisch auf. Auch seine alte Band Gyllene Tider gibt es wieder. Gessle lebt mit Frau und Sohn bei Halmstad.
Halmstad, 27.04.2016. Die Ansage des Managements im Vorgespräch war eindeutig. Den Fokus unbedingt auf das neue Roxette-Album legen und bitte keine Fragen zur Entscheidung von Marie Fredriksson, aus gesundheitlichen Gründen nie mehr live zu spielen. Die Interview-Realität gestaltete sich anders. Gleich in seiner ersten Antwort ging Per Gessle von selbst auf den Entschluss seiner langjährigen Duo-Partnerin ein. Danach geht das Gespräch seinen Weg: Der 57-Jährige zeigt sich als Experte für die Popgeschichte, berichtet von seinen Treffen mit seinem Kumpel Björn Ulvaeus von ABBA und verhehlt nicht, dass seine Band heute zur Kategorie der Oldies zählt.
Herr Gessle, Ihr neues Album heißt „Good Karma“. Wann ist Ihnen zum letzten Mal gutes Karma widerfahren?
2002 wurde bei Marie ein Hirntumor entdeckt. Diese Diagnose hat ihr und damit auch mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Drei Jahre lang betrat sie keine Bühne mehr und musste sich mühsam alles, was vor der Behandlung sehr einfach gewesen war, neu erarbeiten. Als wir dann die ersten gemeinsamen Auftritte planten, fragte ich Marie: „Ist es das wert?“ Sie sagte: „Das werden wir sehen.“ Sie wusste um das Risiko. Sie hatte auch Angst. Aber sie hat es gemacht, zunächst als Überraschungsgast bei meinen Solokonzerten im Mai 2009, später dann im Sommer bei den ersten Shows von Roxette.
Und wie äußerte sich das gute Karma?
(überlegt) Gutes Karma ist ja gerade nicht das zu erwartende Ergebnis einer Tat. Es geht also hier nicht um Geld. Es geht darum, dass unsere Fans in einer unglaublichen Art und Weise Anteil an ihrer Rückkehr nahmen. Wenn Marie „Listen To Your Heart“ sang, schien es mir so, als hätten ohne Übertreibung 90 Prozent der Leute Tränen in den Augen. Die Reaktion des Publikums gab ihr das Selbstvertrauen zurück, das die Krankheit ihr genommen hatte. Es hätte auch anders ausgehen können. Daher: gutes Karma. (lacht) Das ist der Grund für die vielen Shows, die folgten, bevor sie jetzt den Entschluss fasste, damit aufzuhören.