Kay Ray
„Hundert Prozent Radikalität muss der Humor vertragen. Eine Figur darf alles.“
Zur Person
Kay Ray wurde als Kai Lüdke am 12.09.1965 in Georgsmarienhütte geboren und wuchs in Osnabrück in einem strengen Elternhaus mit drei Geschwistern auf. Nach seiner Friseurlehre zog es ihn nach Hamburg, wo er zuerst im Pulverfass Cabaret und nun seit über zehn Jahren im Schmidts Tivoli auf der Reeperbahn auftritt, aber auch durch die gesamte Republik tourt. Mit 250 Auftritten im Jahr ist er gut im Geschäft, sein Publikum liebt den bärtigen Mann, der sich mit Unmengen von Haarspray und viel Lippenstift auf der Bühne in eine Diva verwandelt. Kay Rays Shows sind extrem. Extrem unterhaltsam, extrem anrührend, für einige extrem gewöhnungsbedürftig. Manchmal entkleidet er sich auf der Bühne vollständig und formt mit seinem Penis Figuren. Exzesse prägten schon immer sein Leben, Drogen und Alkohol beendeten es vor ein paar Jahren fast, drei Not-Operationen retteten ihn. Der Entertainer ist ein Grenzgänger – beruflich und privat. Jahrelang lebte der bekennende Bisexuelle in einer schwulen Beziehung, bis er sich vor vier Jahren in seine beste Freundin verliebte, sie heiratete und mit ihr und der gemeinsamen Tochter Valentina heute ein spießiges Familienleben lebt.
11.06.2014, Hamburg. Mittwochmittag auf der Hamburger Reeperbahn. Touristen bestaunen den Kiez, der zu dieser Tageszeit weder verrucht noch glamourös wirkt. Kay Ray erscheint zum Interview in der Hausbar des Schmidt Theaters. Seine Stimme ist tief und rau, seine Haare sind grün, der Kaffee schwarz. Wie erhofft, nimmt der Grenzgänger humoristischer Unterhaltung auch im Interview kein Blatt vor den Mund und spricht über jedes Thema herrlich offenherzig – von Gender-Bending über das Verhältnis zwischen Theaterbühne und Frisörsalon bis zu dem Glück, das man als spießiger Familienvater empfinden kann.
Kay, wie viel Radikalität verträgt Humor?
Kay Ray: Das ist das Thema! Bei einem meiner Auftritte hat sich neulich jemand über das Wort „Gesichtsfotze“ beschwert. Beschwerden über meine Auftritte sind natürlich nicht im Sinne des Auftraggebers und die Frage war: Wie kommen wir da raus? Ich habe das abgekürzt und ganz schnell gesagt: „Ich mache diese Auftritte einfach nicht mehr, wenn ich Dinge nicht sagen darf. Das ist sonst nicht künstlerisch frei.“ Hundert Prozent Radikalität muss der Humor vertragen. Man kann ja gehen, wenn es einem nicht gefällt.
Der Zuschauer kann gehen?
Ja, natürlich. Ich kann mich ja auch entschließen, an einer Demonstration teilzunehmen und wenn die mir zu radikal wird, wenn ich Angst um Leib und Leben habe, gehe ich eben weg. Genauso ist das bei der Kunst auch. Wir leben Gott sei Dank in Zeiten, in denen ich mir nicht mehr einfach jemanden weg wünschen kann. Diese Zeiten sind vorbei.