Juli Zeh
„Dass wir uns in der Welt verloren fühlen, ist völlig normal.“
Zur Person
Juli Zeh (geboren am 30. Juni 1974 in Bonn) studierte nach ihrem Abitur Rechtswissenschaften in Passau und Leipzig. 1998 legte sie das beste Jura-Examen in Sachsen ab. Als Schriftstellerin bekannt wurde sie 2001 mit ihrem Debütroman „Adler und Engel“, der mittlerweile in 26 Sprachen übersetzt worden ist. Ihr Buch „Spieltrieb“ wurde 2006 am Hamburger Schauspielhaus dramatisiert, der Bestsellererfolg „Unterleuten“ 2020 verfilmt. Zeh erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie den Deutschen Bücherpreis, den Hölderlin-Förderpreis und den Carl-Amery-Literaturpreis. Sie äußert sich regelmäßig zu aktuellen politischen Fragen und engagiert sich als Datenschutzaktivistin und für freie Debattenräume. Im Dezember 2018 wurde Juli Zeh vom Brandenburgischen Landtag zur ehrenamtlichen Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt. Mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt sie in einem 300-Seelen-Dorf im Havelland.
18.01.2007, Schloss Solitude bei Stuttgart. Juli Zeh hat gerade ihr Turmzimmer bezogen. Die politisch engagierte Bestseller-Autorin und Juristin bewegt sich auf sicherem Terrain – auch wenn sie im Eilzugtempo über komplexe Themen spricht.
Frau Zeh, Sie schreiben viel über die Gesellschaften Deutschlands und Europas. Wohnen Sie eigentlich gern in Deutschland?
Juli Zeh: Ja. Ich bin hier geboren, kenne das Land und beherrsche seine Sprache. Deutschland ist mittlerweile nicht nur in Europa, sondern auch global gesehen noch eines der freiheitlichsten Länder. Das ist mir wichtig, gerade wo im Zeichen des Anti-Terror-Kampfes überall extreme Eingriffe in die Freiheit des Einzelnen vorgenommen und Bürgerrechte pfundweise abgeschafft werden. Bei uns gibt es diese Entwicklung auch, aber langsamer. Hier wird Freiheit noch immer am intensivsten verteidigt.
Sehen Sie sich in Deutschland noch mit gesellschaftlichen Tabus konfrontiert?
Mit vielen sogar! (lacht) Die sind aber allesamt nicht als so absolut zu verstehen, dass sie im eigentlichen Sinn des Wortes unberührbar wären. Ein Tabu bezeichnet ja ein verinnerlichtes Verhaltensverbot. Etwas worauf sich Gruppen von Menschen normalerweise unausgesprochen einigen und was sie dazu bringt, ein konformes Verhalten an den Tag zu legen oder umgekehrt bestimmte Dinge einverständlich zu unterlassen.