Joy Denalane

Joy Denalane

„Der Vernunftgedanke muss über allem stehen“

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  • Jonas Holthaus
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Zur Person

09.01.2017, Berlin. Im zweiten Stock des Universal-Gebäudes an der Spree wirkt das Büro von Joy Denalanes eigenem Label Nesola wie ein trotziger Ruhepool. Es gibt keine Hängesessel an der Decke und keinen Kühlschrank voller Sponsorengetränke, stattdessen ein schlichtes Sofa, auf dem die Chefin es sich zum Interview gemütlich macht. Von hier aus sind es mit der U1 nur sieben Stationen bis zum Gleisdreieck. Denalane hat ihr neues Album nach diesem Verkehrsknotenpunkt benannt. Die Platte ist heute nicht unser Thema, aber ihr Titel bietet den passenden Einstieg in ein Gespräch über eine Kindheit in der großen Stadt und musikalische Reisen. Antworten findet Joy Denalane auch auf die schwierigen Fragen der Zeit, zum Beispiel darauf, wie ihre Familie mit einem Thema wie Racial Profiling umgehen kann.

Frau Denalane, die meisten Ortskundigen denken beim Gleisdreieck an eine Berliner U-Bahn-Station mit einem Park daneben. Was bedeutet es Ihnen?

Ich kann mir vorstellen, dass Leute, die keinen Bezug zu Berlin haben, über das Gleisdreieck gar nicht als Ort nachdenken, sondern als Metapher. Die fragen sich vielleicht: Was ist das überhaupt, ein Gleisdreieck? Für mich ist das Gleisdreieck der Ort, an dem ich groß geworden bin. Ich bin in Berlin-Schöneberg geboren, in der Kurfürstenstraße, und als ich sechs Jahre alt wurde, bin ich mit meinen Eltern und Geschwistern an den Hafenplatz gezogen. Von diesem Moment an war meine U-Bahn-Station das Gleisdreieck. Kein Ort hat mich so früh so sehr geprägt, dort liegt die DNA von Joy Denalane.

Prägt eine Großstadtkindheit eigentlich anders als eine auf dem Dorf?

Das kann ich nur schwer sagen, ich habe den Vergleich ja nicht. Sicherlich lernt man im Dorf wie in der Stadt, sich in einer Gemeinschaft zu positionieren und seine Rolle zu finden. Vielleicht liegt der Unterschied darin, dass die Leute, die in der Großstadt zusammengewürfelt werden, aus unterschiedlichen Richtungen und unterschiedlichen Ländern kommen. Eine großstädtische Umgebung ist vielleicht im weitesten Sinne heterogener als eine dörfliche. Es gibt fremde Sprachen, andere Kulturen und eine Vielfalt, die normal ist. Vielleicht ist das großstädtische Kind deshalb weniger ängstlich vor Dingen, die es nicht kennt.

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