John Peel
„Übertriebener Respekt belastet mich.“
Zur Person
John Peel wurde am 30.08.1939 als John Robert Parker Ravenscroft in Heswall bei Chester geboren. Nach dem Wehrdienst verschlug es ihn Anfang der Sechziger nach Dallas, wo er eher zufällig mit dem Medium Radio in Berührung kam. Es folgten Anstellungen in Oklahoma City und Los Angeles. Zurück in der Heimat, moderierte Peel zunächst für den Piratensender Radio London die Nachtsendung „The Perfumed Garden“, bevor er 1967 zur BBC-Neugründung Radio 1 wechselte. Sein Hunger nach unverbrauchten, oft auch extremen Tönen war legendär und nicht unerheblich am Durchbruch von Genres wie Punk, HipHop, Drum’n’Bass und Electroclash beteiligt. Ab 1998 war der Vater von vier Kindern neben der eigenen Show mit dem Format „Home Truths“ bei der BBC zu hören. Seine zweite Frau Sheila, mit der er nördlich von London in einem abgeschiedenen Landhaus lebte, nannte John Peel liebevoll Pig, „weil sie beim Lachen immer so grunzt“. Am 25.10.2004 erlag John Peel während eines Urlaubs in Peru einem Herzinfarkt. Seinem Wunsch gemäß steht auf seinem Grabstein eine Songzeile der Undertones: „Teenage Dreams, so hard to beat.“
19.02.2004, Finborough, England. John Peels verwinkeltes Anwesen liegt in einem Dörfchen in der Grafschaft Suffolk. Der legendäre Radio-DJ nimmt sich zwei Tage Zeit. Das Haus aus dem 17. Jahrhundert wirkt wie ein Lager für Tonträger. Überall liegen Vinyl-LPs und CDs, selbst hinter Klappen und in Winkeln stapeln sich Platten.
Mr. Peel, Ihr langjähriger Produzent bei der BBC, John Walters, nannte Sie „eine der wichtigsten Figuren der britischen Popgeschichte“. Sie hätten in Ihren 40 Jahren als Radio-DJ mehr für die Entwicklung des Pop getan als jeder sonst – „John Lennon inbegriffen“. Der ‚NME‘ bezeichnete Sie 1994 gar als „gottgleiches Genie“. Wie fühlt man sich da?
John Peel: Nun... ich weiß natürlich, warum John, der ja immerhin über 20 Jahre meine Sendung betreute, diese Dinge über mich gesagt hat. Worauf er hinaus wollte, ist Folgendes: Der Unterschied zwischen einem Radio-DJ und einem Print-Journalisten liegt darin, dass du die Neuigkeiten eben nicht nur beschreibst, sondern die Möglichkeit hast, sie den Hörern da draußen direkt vorzustellen. Das ist ein substanzieller Unterschied, was den Prozess der Meinungsbildung betrifft. Davon abgesehen hat John Lennon natürlich viel mehr Geld verdient und bessere Songs geschrieben als ich. (lacht) Im übrigen hat er auch eine ganze Menge schrecklichen Kram komponiert, was die Leute gerne vergessen. Wäre Lennon nicht erschossen worden – die Menschheit hätte ihn für seine letzte Platte zu Recht ausgelacht. Aber im Ernst: Wie misst man Wichtigkeit oder Einfluss? Der ‚NME‘ jedenfalls ist wohl kaum ein Maßstab.
Mag sein. Selten jedoch sind sich die Leute derart einig wie in Ihrem Fall.
Dennoch: Zwischen selbstloser Hingabe ans öffentliche Radio und einem schockierenden Mangel an Ambition ist es nur ein schmaler Grat. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: 1998 hatte ich die Ehre, einen vom Königshaus gestifteten Preis in Empfang zu nehmen. Im Buckingham Palast, von Prinz Charles persönlich. Natürlich nahm ich die Geschichte nicht allzu ernst, doch immerhin gab uns dieser Anlass die Chance, die Bude mal von innen zu sehen. (kichert) Diese Auszeichnung kann jeder bekommen, man muss lediglich eine bestimmte Sache für eine verrückt lange Zeit getan haben. Es waren Hunderte von Leuten dort – von der Blumen-Arrangeurin bis hin zum Rekord-Maurer. Ist wohl eine große Sache, aber ich kam mir eher so vor, als stände ich in der Warteschlange für den schiefen Turm von Pisa.