Jörg Immendorff

Jörg Immendorff

„Ich habe noch genügend Mist in mir, um über meine Kunst Revolution zu machen.“

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Zur Person

Düsseldorf im April 2005. Nach dem Mittagschlaf betritt Jörg Immendorff sein Atelier und nimmt auf einem hohen Bürostuhl Platz. Der Künstler konzentriert sich sichtlich, sucht nach den pointierten Worten, und trinkt mithilfe von Strohhalmen aus diversen Gläsern mit Säften, Kräuterlösungen und Tees. Im Hintergrund läuft abwechselnd Pop-Musik und Klassik. Nachdem er 120 Minuten tief konzentriert deoziert hat, muss er aufgrund schwindender Kräfte abbrechen – nicht ohne darum zu bitten, dass man eine Woche später wiederkomme, um den zweiten Teil des Interviews zu absolvieren. Am Ende sprechen GALORE und Immendorff fünf Stunden miteinander – das längste Gespräch in der Geschichte des Magazins.

Herr Professor Immendorff: Wann haben Sie Ihr letztes schlechtes Bild gemalt?

Jörg Immendorff: (lächelt) Gute Frage. (schweigt länger) Ein schlechtes Bild ist ja ein Bild, bei dem man gezwungen wird aufzugeben. Aber das passiert nicht. Ein Bild, bei dem ich gesagt hätte „Da male ich jetzt nicht weiter“, hatte wenn, dann nur technische Probleme. Sprich: Die Farbe platzt ab, es gibt Risse oder so. Normalerweise arbeite ich so lange an dem Bild, bis ich zufrieden bin. Beziehungsweise so lange, bis in dem Bild etwas wachgeküsst wird, das mir sagt: „Ich bin jetzt eigenständig. Ich brauche deine Mitwirkung nicht mehr.“ Dann schaue ich darauf, und es gibt eine Vereinbarung, eine Gewissheit zwischen mir, dem Bild und einer dritten Größe, einem höheren Wesen, dass alles richtig ist, so wie es ist. Dann kommt meine Signatur und das Bild lebt.

Und so funktioniert es, einem Bild sein Leben zu geben? Immer?

Es kommt schon vor, dass ein Bild nach zwei, drei Wochen oder auch nach anderthalb Jahren noch immer hier im Atelier steht, und es mir plötzlich sagt: „Du könntest dich mir ruhig noch mal nähern.“ Eine Kleinigkeit vielleicht nur, eine minimale Ergänzung, ein kleines Wegmachen, und dann atmet es durch und ich habe endlich meine Ruhe damit. Es hat die ganze Zeit dezent genervt; immer wenn mein Blick drauf fiel, wurde klar, da fehlt noch was.

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