Alfred Hilsberg
„Viel Feind, viel Ehr‘: Ich liebe das.“
Zur Person
Alfred Hilsberg kam 1947 in Wolfsburg zur Welt. Die kleinbürgerliche Enge der Autobauerstadt ließ ihn schnell tief in die Subkultur eintauchen. Zunächst tätig im dokumentarischen und expressionistischen Filmbereich, entdeckte er mit dem aufkeimenden Punk seine Liebe zur Musik. In Hamburg gründete er mit ZickZack eines der ersten und lange wichtigsten Indie-Labels der Nation, veröffentlichte Bands wie Einstürzende Neubauten, Abwärts, Die Krupps, Die Tödliche Doris, und schrieb obendrein für das Sounds-Magazin. Mit Aufkeimen der NDW wurde es schwieriger für ZickZack; eine zweite Blüte erlebte Hilsberg ab 1992 mit What's So Funny About und dessen Einfluss auf die so genannte Hamburger Schule, auch dank seiner Entdeckungen Blumfeld, Die Haut, Cpt. Kirk &., Mutter oder Knarf Rellöm. Noch immer ist das Label aktiv und kantig, jüngere Entdeckungen sind Rummelsnuff, Jens Friebe, Parole Trixi oder Doctorella. Hilsberg lebt in Hamburg.
22.06.2016, Hamburg. Die deutsche Underground-Ikone Alfred Hilsberg, der mit seinen beiden Plattenfirmen ZickZack und Whats So Funny About die deutsche Subkultur seit den Siebzigerjahren entscheidend mitgeprägt hat, schlurft zu Fuß zum Termin in einem Café in Eimsbüttel. Schwarze Tuchhose, schwarzes Cordhemd, schwarze Britpopper-Latschen: Existenzialismus ist schon optisch seine Sache. Wir reden weit über zwei Stunden – über das Musikveröffentlichen früher und heute, über die Chance von Subkultur in Zeiten der Digitalisierung, aber auch über mysteriöse Krankheiten. Und über das kürzlich erschienene Buch über sein Lebenswerk, das er bis heute nicht gelesen hat. Zu verletzend scheinen manche Aussagen alter Weggefährten.
Herr Hilsberg, wie würden Sie selber Ihr Geschäftsprinzip als Platten-Entrepreneur über vier Jahrzehnte zusammenfassen?
Das sagt schon der Name meiner ersten Firma: Es ging und geht immer noch im Zickzack hin und her und dreht sich zum Glück nicht im Kreis. Das Prinzip dahinter ist, sich niemals auf dem, was erfolgreich war, auszuruhen und das zu wiederholen – was ja grundsätzlich gern in der Musik gemacht wird –, sondern ständig die Leute neu zu überzeugen und zu überraschen. Das ist natürlich nicht so einfach, wie auf Bekanntes und Bewährtes zu setzen, aber ich denke, dass mein eher provokanter Ansatz gerade der deutschsprachigen Musik gut getan hat.
Sehen Sie hier das Hauptproblem der modernen Musik: den mangelnden Mut, Neues zu wagen?
Ja, wobei es schon verständlich ist aus Sicht mancher Künstler, die im Laufe ihrer Karriere etwas Neues ausprobieren und dann feststellen, dass es nicht mehr so erfolgreich ist. Da hat sich merkwürdigerweise das, was die Beatles und die Rolling Stones einst gemacht haben, indem sie auf ihren späten Platten viel experimentiert haben, leider nicht fortgesetzt und auf spätere Musikergenerationen übertragen. Ich wüsste daher auch keine Musiker mehr, die sich solche Bands als Idole nehmen.