Rocko Schamoni
„Ich bewundere Menschen, die Sinn zerstören können.“
Zur Person
Rocko Schamoni wurde am 08.05.1966 als Tobias Albrecht im holsteinischen Lütjenburg geboren. Dem Punk-infizierten Entertainment-Allrounder war schon bald keine Kunstform mehr fremd: Schamoni sang Platten ein, drehte Filme, schrieb Theaterstücke und veröffentlichte Bücher – meist mit der Hingabe eines Amateurs und der Hartnäckigkeit eines Profis. Mit Hamburg als seinem neuen Hauptquartier entwickelte sich der Künstler zum Underground-Promi und Lokalmatador. Als Teil des Komik-Trios „Studio Braun“ etablierte er ab 1998 medienkritischen Humor abseits der Comedy-Formate, als Autor konnte er 2004 mit „Dorfpunks“ einen Überraschungserfolg feiern, und als Hamburger Spitzenkandidat für Die PARTEI machte er zwischendurch noch kurz politische Karriere. Seit 1995 betreibt Schamoni zusammen mit Schorsch Kamerun den Golden Pudel Club in Altona, der nach wie vor als eine Art Wohnzimmer für die Szene fungiert. Zu Schamonis jüngeren Projekten zählen die Mockumentary „Fraktus“ (mit Studio Braun), das Theaterstück „Rust – Ein deutscher Messias“ und der Roman „Fünf Löcher im Himmel“. Rocko Schamoni lebt mit seiner Frau und einer Tochter in Hamburg.
23.09.2014, Hamburg, ein Straßencafé in der Innenstadt. Schamoni ist hier Stammgast, was man nicht nur am Verhalten des Personals merkt, sondern auch daran, dass bald jeder dritte Passant zum kurzen Gruß anhebt. „Zwei Ecken weiter, und keine Sau würde mich kennen“, lacht Schamoni. Der Tausendsassa zwischen Musik, Theater und Film, Kabarett, Klamauk und Kante kehrt gegenwärtig wieder einmal als Romancier zurück. Sein neues Buch „Fünf Löcher im Himmel“ ist ein melancholischer Roadtrip durch das norddeutsche Hinterland – und im Grundton wieder ziemlich traurig. Doch wen wundert das, bei dem Mann, bei dem die schönste Form der Komik fast immer aus der Tragik entspringt? Ein Gespräch bei Kaffee und Zigaretten über das künstlerische Professionalisieren von Depressionen und Selbstwertlosigkeit als Ursprung aller Kunst.
Herr Schamoni, wie so oft bei Ihnen, tragen auch in Ihrem neuen Roman selbst die schönsten und ulkigsten Momente große Melancholie in sich. Wie kommt das? Beuten Sie Ihre Figuren gern aus?
Rocko Schamoni: (lacht) Die werden alle ausgebeutet bis zum Gehtnichtmehr. Ehrlich gesagt glaube ich, dass das jeder Schriftsteller machen muss. Es gibt gar keine andere Möglichkeit. Und wann sonst gibt es die Chance, jemanden so bedingungslos vorführen zu können, ohne dass Du dich dafür ernsthaft schuldig fühlen musst? Du kannst mit den Leuten in Deinen Büchern alles machen und es wird danach niemand dastehen und sagen: Du hast hier diverse Leute unter das Fallbeil geschickt, du Unmensch! Das wird dir nicht passieren, es sei denn, es gibt ein literarisches letztes Gericht nach deinem Ableben. Man kann alles passieren lassen, was man selbst nicht erleben möchte und worüber man sonst nur nachdenkt.
Verbindet das auch den Schauspieler und den Autor Schamoni? Auch als Darsteller haben Sie sicher so einiges durchgespielt, was Sie selbst nicht erleben möchten, und wurden dabei gewissermaßen vorgeführt.
Es ist ähnlich lustvoll. Auch da muss man es nur aushalten, dass der Dreh jetzt gerade so lang ist, bis das Prozedere durch ist. Danach kann man die Zahnprothesen wieder herausnehmen. Zwar ist das auch freudvoll, jedoch ist das Schreiben darüber noch interessanter, denn dort kann man weiter gehen. Bei Filmen brauchst du viel Geld, um alles passieren zu lassen – bei einem Buch nicht. Du brauchst nur einen Stift, einen Computer oder eine Schreibmaschine.