Margot Friedländer

Margot Friedländer

„Ihr müsst die Zeitzeugen sein!“

Zur Person

07.04.2014, New York. Flucht misslungen, Familie in Gestapo-Hand: Mit 21 ist die Berliner Jüdin Margot Friedländer plötzlich auf sich allein gestellt. 71 Jahre später präsentiert sie die englische Fassung ihrer Memoiren in New York. In „Versuche, dein Leben zu machen“ erzählt sie, wie sie sich 15 Monate lang von Versteck zu Versteck durchschlägt, dann auffliegt und ins Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt wird. Im Interview spricht Friedländer über die Erlebnisse aus der Nazizeit sowie ihre Aufklärungsarbeit heute. Außerdem verrät sie, was sie an amerikanischen Senioren aufregt und wie sie auf dem Motorboot von Max Raabe landete.

Frau Friedländer, Sie waren gerade 17 geworden, als Sie die so genannte Kristallnacht erlebten. Was haben Ihre Eltern, die Nachbarn dazu gesagt?

Margot Friedländer: Meine Eltern haben sich 1937 getrennt. Wir wollten auswandern, also keine Wohnung mehr nehmen, und wohnten deswegen in der Pension von jüdischen Freunden. Ich war Lehrmädchen in einer Schneiderei, und es war noch sehr ruhig im Haus, als ich mich auf den Weg zur Arbeit machte und wieder umkehrte. Ich muss vielleicht 20 Minuten weggewesen sein. Fast alle in der Pension waren da schon versammelt, zum Teil im Speisesaal, zum Teil in der Halle. Ich hatte die ganzen Scherben auf der Straße gesehen, und die Luft war so merkwürdig. Ich wusste nicht, was das ist. Aber die Leute in der Pension wussten bereits, dass die Synagogen brennen. Die Stimmung, als ich nach Hause kam, war so… (überlegt) Die Menschen waren entgeistert. Man hätte ja nicht geglaubt, dass so etwas geschehen könnte: Geschäfte sind zerschlagen, die Synagogen brennen… Es hieß, dass Männer, jung und alt, aus ihren Wohnungen herausgeholt und weggebracht wurden. Man wusste nicht, wohin. Das war eigentlich der Moment, wo ich wusste, dass es unmöglich ist, hier weiterzuleben. Dass noch Schlimmeres kommen wird, dass das der Anfang vom Ende ist.

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