Jan Weiler

Jan Weiler

„Heute weiß ich, dass ich viel mehr hätte knutschen können.“

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  • Egbert Krupp
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Zur Person

13.06.2015, Icking bei München. Jan Weiler lädt zu sich nach Hause ein, er sagt, er habe so viel Zeit, wie wir eben brauchen. Die Sonne scheint, neben einem alten Baum steht ein Trampolin, auf dem Kiesweg zwängt sich da und dort Unkraut durch. „Die ärgern mich“, sagt der 47-Jährige und zupft das Grün mit einem Ruck aus. Jetzt erst mal einen Cappuccino, zwischendurch eine Zigarette, man sitzt auf der Terrasse. Seine Gesprächshaltung am Anfang: freundlich, aber reserviert. Schnell wird klar, dass man sich Jan Weiler als Gesprächspartner erobern muss. Das scheint zu gelingen. Der Schriftsteller redet über seine Korrespondenz mit dem kaiserlichen Hofamt von Japan, über seinen Kampf gegen die Entlassungsproduktivität und über die Verantwortung, zu der einen das Talent verpflichtet. Dazwischen streut er typische Weiler-Anekdoten ein.

Herr Weiler, zu Ihren Forschungsobjekten gehört das „Pubertier“, wie Sie es nennen. Seine typischen Charaktereigenschaften: muffelig, maulfaul und hysterisch. Auch Sie waren mal ein Pubertier. Musste man vor Ihnen Angst haben?

Jan Weiler: Ich war zumindest oft beängstigend still und habe mich zurückgezogen. Niemand wusste so recht, was in dem Jungen eigentlich vorging. Ich hätte es selbst nicht sagen können, unsicher wie ich war. Über mich selber dachte ich, ich wäre ein Monster. Dudelsackstimme, komische Haare, Talgdrüsenexplosionen. Besonders die vielen Pickel, die in meinem Gesicht wucherten, haben mir großen Kummer bereitet. Um meine Unsicherheit zu überspielen, habe ich den Klassenclown gegeben.

Das klingt nicht danach, als hätten Sie reihenweise die Mädchen abgeschleppt.

Stimmt. Hätte ich aber können. Abgesehen von den Pickeln war ich ein hübsches Bürschchen. Man könnte durchaus sagen: gutaussehend. Aber ich war so damit beschäftigt, mich als eine Kreatur aus dem Sumpf zu fühlen, dass ich leider nie bemerkt habe, wenn ein Mädchen Interesse an mir hatte. Heute weiß ich, dass ich viel mehr hätte knutschen können. Die Bekenntnisse der Damen kamen dafür leider viel zu spät. Beispielsweise nach einer Lesung in Süddeutschland. Da sprach mich eine ehemalige Mitschülerin an und sagte, wie süß sie mich damals gefunden hätte. Da dachte ich: Du dumme Nuss, das hättest du mir mal vor dreißig Jahren sagen können!

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