Hermann Nitsch
„Leberwurst wird eben nun mal aus Leber hergestellt.“
Zur Person
Hermann Nitsch (Geboren am 29.09.1938 in Wien) wuchs als Halbwaise auf. Sein Vater fiel 1944 an der Ostfront. Der Großvater mütterlicherseits wurde zur wichtigsten Bezugsperson und gab sein zeichnerisches Talent weiter. 1957 nahm die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien Nitsch als Schüler auf. Wenige Jahre später gehörte er zu den Begründern des Wiener Aktionismus. Schlachttiere und Blut, Rausch und Leid bildeten von Anfang an zentrale Elemente seiner Aktionen. 1966 wurde er wegen Blasphemie zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Nitsch ging nach Deutschland, lebte einige Jahre südlich von München. Er war in zweiter Ehe mit einer Frau aus einer schwäbischen Unternehmerfamilie verheiratet, die für ihn 1971 Schloss Prinzendorf bei Wien erwarb – bis heute Wohnort wie zentrale Spielstätte seines Orgien Mysterien Theaters (o.m. theater). Nitsch nahm zweimal an der documenta in Kassel teil. 2005 wurde ihm der Große Staatspreis Österreichs für Bildende Kunst überreicht. Er lebt mit seiner dritten Ehefrau Rita und vielen Tieren im Schloss Prinzendorf.
06.12.2006, Prinzendorf. Das Schloss von Hermann Nitsch im Niederösterreichischen ist ein wahres Schmuckstück barocker Baukunst und könnte kaum in größerem Kontrast zum blutigen Werk des Aktionskünstlers stehen. Nitsch entpuppt sich als gemütlicher Mann mit gelegentlicher Tendenz zum Wegnicken. Ist er aber wach, blitzt sein Geist auf.
Herr Nitsch, wann haben Sie sich selbst das letzte Mal so richtig vor etwas geekelt?
Hermann Nitsch: (überlegt lange) Schwer zu sagen. Wie Sie wissen, geht es mir explizit darum, die Welt in ihrer vollen Sinnlichkeit zu empfinden. Darum habe ich meine Ekelschranke ziemlich weit zurückgeschraubt. Es ist mir vom Ansatz her geradezu verboten, gewisse Dinge oder Kategorien auszuklammern.
Gleichwohl bezweifle ich, dass es nicht irgendetwas gibt, was auch Sie – Konzept hin oder her – eklig finden.
Ich kann Ihnen darauf keine konkrete Antwort geben, tut mir Leid. Ich hatte zunächst vor, die Politik zu nennen, dann aber ist mir bewusst geworden, dass ich so schon genug Feinde habe. (lacht) Aber vielleicht fällt mir ja im Laufe des Gespräches noch etwas Besseres ein.