Douwe Draaisma
„Bei erotischen Träumen handelt es sich selten um den eigenen Partner.“
Zur Person
Douwe Draaisma wurde 1953 im niederländischen Nijverdal geboren. Er ist Dozent für Psychologiegeschichte an der Universität in Groningen und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden und auf internationalen Bestsellerlisten landeten. Schwerpunkt seines Forschungsgebietes sind die vielseitigen Erscheinungsformen und psychologischen Hintergründe des Gedächtnisses und der Erinnerung. Im Jahr 1999 erhielt er den Heymanspreis für seine Leistungen auf dem Gebiet der Gedächtnisforschung. In seinem aktuellen Buch widmet er sich einem Thema, das ihn vorher nur wenig interessiert hat: den Träumen. Draaisma lebt mit seiner Familie in Groningen.
04.09.2015, Berlin. Träumt er etwa noch? Hat er vielleicht verschlafen? Bald ist eine halbe Stunde vergangen und Douwe Draaisma ist im Haus an der Friedrichstraße, wo sein Verlag untergebracht ist, immer noch nicht aufgetaucht. Keiner kann sich erklären, woran es liegt. Dann geht die Tür auf, Draaisma tritt ein. Der Blick abgehetzt, das Lächeln entschuldigend. Er sagt, er brauche dringend einen Schluck Wasser. Dann tauchen wir ein in eine andere Welt: Der niederländische Professor für Psychologiegeschichte hat etliche Studien ausgewertet und Dutzende Bibliotheken durchstöbert, um das Phänomen Traum zu erforschen. Flugträume, erotische Träume, prophetische Träume – alles kommt auf den Tisch. Douwe Draaisma sagt, er würde gerne Englisch reden. Und streut dann doch deutsche Sätze ein.
Herr Draaisma, Sie sagten bei der Begrüßung, dass es untypisch für Sie sei, zu spät zu kommen.
Douwe Draaisma: Das ist es auch. Ich habe sogar auf eine Weise Angst davor, das spiegeln auch meine Träume wider. Im Grunde ist mein Traumleben zwar so gut wie nicht vorhanden, aber wenn ich träume, dann alle Varianten von Zuspätkommen. Oder ich träume davon, dass ich etwas vergessen habe oder einer Pflicht nicht nachgekommen bin, der ich hätte nachkommen sollen.
Zum Beispiel?
Letztens stand ich einmal im Traum irgendwo auf Socken herum, obwohl ich fünfzehn Minuten später einen Vortrag hätte halten sollen. Ich war noch nicht einmal in der Nähe des Saals, in dem ich erwartet wurde, und noch dazu war das Fahrrad verschwunden, das ich nehmen wollte. Insofern hätte ich es genauso, wie es sich heute abgespielt hat, träumen können. Ich hatte mich nach dem Frühstück entschlossen, den Weg vom Hotel zum Verlag zu Fuß zu gehen. Als ich dann die Straße entlanggelaufen bin, hatte ich den Eindruck, ich komme viel langsamer voran als angenommen. Am Ende habe ich schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass die Hausnummer, auf die ich warte, endlich auftaucht.