Chilly Gonzales
„Es gibt keine objektiven Kriterien, mit denen man Genialität bestimmen kann.“
Zur Person
Chilly Gonzales kommt am 20. März 1972 in Montreal als Jason Beck zur Welt. Mit drei Jahren spielt er zum ersten Mal auf einem Klavier, später nimmt er klassischen Unterricht und studiert Jazz-Piano. Nachdem seine Alternative-Rock-Band Son floppt, zieht er Ende der 90er nach Berlin. Mit drei Alben zwischen Rap, Indie und Dance-Underground wird er zum Szene-Star, bis ihm 2004 mit dem ruhigen Instrumental-Album „Solo Piano“ der große Durchbruch gelingt. Seitdem inszeniert er sich als Grenzgänger zwischen den Stilen. Er spielt weltweit in ausverkauften Philharmonien, dreht Filme, produziert Chansonniers wie Charles Aznavour und nimmt Songs mit Daft Punk, Jarvis Cocker oder dem Techno-DJ Boys Noize auf.
13.2.2015. Karnevalsfreitag in Köln. Die ersten Jecken stehen bereits vor den Kneipen der Zülpicher Straße. Doch das Café Feynsinn schwimmt als einsame Insel im rheinischen Irrsinn. Chilly Gonzales hat die Allüren zu Hause gelassen, bestellt grünen Tee und erzählt freundlich und wortreich von seinem Leben zwischen Pop und Klassik, Daft Punk und Helge Schneider, Kunst und Entertainment. Das Interview wird auf Englisch geführt, in dem einstündigen Gespräch rutschen dem Wahl-Kölner ganze sechs deutsche Wörter heraus: „Elfenbeinturm“, „Minderwertigkeitskomplex“, „Ruhrgebiet“, „Biedermeier“, „oberflächlich“ und „brav“.
Gonzales, Sie haben kürzlich ein Notenbuch veröffentlicht, um Klavierspielern mit leichten Stücken den Spaß am Instrument wiederzugeben. Bei Ihren Konzerten erklären Sie die Funktionsweise von Popsongs, im Internet halten Sie „Pop Music Masterclasses“ ab. Sind Sie ein verkappter Pädagoge oder Lehrer?
Chilly Gonzales: Nein. Ich sehe mich selbst als jemanden, der andere inspiriert, aber nicht dabei belehrt. Ich mag Autoritäten nicht. Die Idee, dass es einen Lehrer gibt, der per Definition Recht hat, missfällt mir. Ich will nicht zu dramatisch klingen, aber die Musik hat mir geholfen, meine geistige Gesundheit zu bewahren und dadurch auf gewisse Weise mein Leben gerettet. Wenn ich das durch meine Musik auch bei einem meiner Hörer erreichen sollte, wäre das toll. Aber mit Lehrern habe ich nichts am Hut. Die meisten Lehrer, die ich hatte, mochte ich nicht.
Auch nicht die Klavierlehrer?
Die schon mal gar nicht. Ich suchte nach Inspiration, aber die lieferten mir immer nur Antworten und sagten mir, was richtig und was falsch sei. Wir stritten uns ständig. Als Lehrer ist man automatisch eine Art Vorbild, und das will ich absolut nicht sein.