Charlotte Roche
„Mir fällt nichts ein, worüber man schweigen sollte.“
Zur Person
Charlotte Roche kam am 18. März 1978 in High Wycombe, England, zur Welt und zog mit acht Jahren nach Deutschland. Bekannt wurde sie zunächst durch ihre Moderatorentätigkeit beim Musiksender Viva II, bevor sie ab 2003 ihre eigene Interview-Sendung „Charlotte Roche trifft...“ auf Pro 7 hatte. Ab März 2012 moderierte sie zusammen mit Jan Böhmermann die Talkshow „Roche & Böhmermann“. Roche wurde nicht nur durch ihren innovativen Moderationsstil bekannt, sondern gilt seit einigen Jahren auch als Vertreterin einer neuen feministischen Generation. Im Februar 2008 erschien ihr erster Roman „Feuchtgebiete“, in dem vermeintliche Tabuthemen wie Analverkehr, Intimhygiene, Masturbationstechniken und Prostitution zur Sprache kamen. Laut Media Control wurde das Buch fast zwei Millionen Mal verkauft. 2011 folgte ihr Roman „Schoßgebete", aktuell steht „Mädchen für alles“ in den Buchhandlungen. Roche ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Köln.
08.10.2015, Köln. Ein Interview mit Charlotte Roche, da denkt man sich als Journalist: Achtung, das wird kitzlig. Entweder wird sie einen mit tabubrechender Ungeniertheit überrumpeln oder es wird genau das Gegenteil passieren und sie wird die Sensationslust des Fragestellers mit großer Seriosität enttäuschen. So ist das eben, wenn man mit einer sogenannten Skandalautorin spricht. Am Ende kommt es doch wieder ganz anders: Roche wirkt, wie man sie aus dem Fernsehen kennt: zugewandt, lässig, mit unverwechselbarer Stimme. Eine Mischung aus Party-Psychologin und Lieblingskindergärtnerin, die sich für kein Tabuthema zu schade ist. Warum also nicht schon einmal Impotenz, Rachephantasien und das eigene Ableben durchsprechen?
Frau Roche, worüber sollte man schweigen?
Charlotte Roche: (überlegt) Mir fällt nichts ein, worüber man schweigen sollte. Denn wenn man über etwas schweigen soll, bedeutet das doch nur, dass man darüber auch nichts hören will. Und dann wäre es genau darum besser, darüber zu reden. Natürlich nicht mit jedem und nicht in jedem Rahmen – zum Beispiel in einem Interview.
Ganz allgemein gefragt: Gehen uns die Tabus aus?
Ich hasse das Wort Tabu und auch diese Formulierung, „Tabus brechen“. Viele Tabus empfinde ich als lebenseinengend.