Andrew Keen

Andrew Keen

„Wir haben eine technologische Info-Hölle geschaffen.“

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  • Ali Ghandtschi
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Zur Person

06.11.2008, Berlin. Wie der Leibhaftige sieht der selbsternannte „Antichrist des Silicon Valley“ nicht aus. Eher erinnert der in Kalifornien lebende britische Journalist an einen zu Scherzen aufgelegten Geschäftsmann, der beide Seiten kennt. Die Antworten der Hassfigur der Internet-Gemeinde sind scharfsinnig und nicht ohne philosophischen Tiefgang; am Anfang des Gesprächs steht sein Rat: „Sie sollten Ihre Interviews unbedingt als Audiostream ins Netz stellen. Müll gibt es da schon genug.“

Mr. Keen, schenkt man Ihrem Buch „Die Stunde der Stümper“ Glauben, dann bedroht uns die Internetkultur durch einen totalen Kollaps der Datensicherheit, den Sie einen orwellschen Zustand nennen. Umso seltsamer, dass wir uns ausgerechnet hier – in einem Edel-Shop der Deutschen Telekom – treffen.

Andrew Keen: Entschuldigung, wie meinen Sie das?

Vor einigen Monaten erregte ein Skandal die deutschen Gemüter: Die Telekom hatte persönliche Daten ihrer Kunden gespeichert, die dann gestohlen und auf obskuren Wegen im Internet verhökert wurden. An diesem Ort ein solches Thema mit Ihnen zu diskutieren, scheint mir leicht ironisch.

Nicht, wenn Sie vergleichen, was die Granden des Internets so alles an Wissen über uns ansammeln. Dagegen sind die Machenschaften eines Telekommunikationsunternehmens harmlos. Neben diesen Internet-Konzernen nehmen sich Stasi, KGB oder die CIA aus wie lachhafte Anfängervereine. Sehen Sie, ich habe kürzlich den Film „Das Leben der Anderen“ gesehen, und das erste, was mir auffiel, war, wie verdammt mühsam es seinerzeit gewesen sein muss, an Informationen zu gelangen. Heute reicht es dagegen, sich alle Google-Einträge einer betreffenden Person vorzunehmen. Danach wissen Sie mehr über jemanden, als Ihnen lieb ist. Wir alle legen uns täglich auf eine Art digitale Freud-Couch, ohne es zu merken. Wir haben eine technologische Info-Hölle geschaffen.

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